Kaum verständlicher „Peer Gynt“ im Düsseldorfer Schauspielhaus
Das 1876 uraufgeführte Drama von Henrik Ibsen geriet zu lang und zu kompliziert Peer Gynt von Henrik Ibsen - Deutsche Fassung von Peter Stein und Botho Strauß unter Verwendung der Übersetzungen von Christian Morgenstern und Georg Schulte-Frohlinde
Regie: Bernadette Sonnenbichler - Kostüm: Anna Brandstätter - Bühne: Wolfgang Menardi
Premiere am 12. Januar 2024 - Schauspielhaus Düsseldorf, Großes Haus
Peer Gynt mal im Unterhemd, mal in Straßenkleidung oder in der Anstaltskleidung eines Irrenhauses und ein unfertiges Baugerüst, auf dem sich knapp drei Stunden lang nichts tut. Möglicherweise steht das Gerüst für die Baustelle von Peers Leben, weil er am Ende schlicht zugeben muß, daß er nicht wirklich sein eigenes Ich gelebt hat in seinem Erdendasein? Das 1876 uraufgeführte Bühnenstück „Peer Gynt“ des norwegischen Dramatikers Henrik Ibsen (1828-1906), das dieser im frei gewählten Exil in Italien schuf, hatte jetzt im Düsseldorfer Schauspielhaus eine leider sehr komplizierte Premiere.
Verantwortlich dafür ist die Düsseldorfer Hausregisseurin Bernadette Sonnenbichler. Sie beginnt nicht mit dem Anfang des Stücks, sondern zäumt das Geschehen um den Schwindler, Aufschneider, Lügner, Phantasten und Tagträumer Peer von hinten auf. Zahlreiche Torax-Röntgenbilder hängen während der gesamten, viel zu langen Inszenierung vom Bühnenhimmel herab. Zudem sieht man ein Krankenhausbett, aus dem sich mühsam ein scheinbar schwerst erkrankter Peer (Heiko Raulin) wühlt. Der Tod möchte ihn mitnehmen. Doch er gewährt dem Bauernsohn eine Schonfrist. Er solle beweisen, daß er sein eigenes Ich gelebt hat. Und so macht sich Peer in seinen Gedanken auf zu den verschiedenen Orten seines Lebens. Er treibt sich in der Heimat rum, lebt im Reich der Trolle, in Ägypten und Marokko. Er schwängert zahlreiche Frauen, sogar die Troll-Prinzessin, säuft und prügelt sich durchs Leben und verdient als skrupelloser Machtmensch sein Geld mit Sklavenhandel. Von all dem sieht man leider auf der Bühne nicht viel. Oft ist unklar, ob die Handlung real oder nur eine Ausgeburt seiner Fantasie ist. Etwa zur Halbzeit des Dramas klingt es fast schon wie eine Drohung, wenn Peer dem Publikum zugewandt erklärt: „Bis der Totengräber mich einsargt, vergeht noch eine lange Zeit.“
Doch Trollkönig Mautz setzt sich - nun kurz als Peer - auf den Boden und beginnt sich langsam seiner Kleidung zu entledigen, bis er fast nackt ist. Und vergleicht sich - in einer anrührenden Szene - mit einer Zwiebel, die zwar viele Hüllen, aber keinen Kern. Und der Trollkönig wirft Peer zudem vor, in seinem Reich alles so gemacht zu haben wie ein Troll und gerade nicht sein „Ich“ gelebt zu haben. Irgendwann bekennt der Aufschneider Peer dann selbst: „Ich selbst zu sein, daß ist mir viel zu kompliziert.“ Regisseurin Sonnenbichler hat nicht nur Anfang und Ende vertauscht, sondern auch die Szenen verschoben, manche sogar gänzlich weggelassen. Zudem hat sie auch die drei Frauenfiguren in ihrer Peer Gynt-Version mit Männern besetzt. Warum, das erschließt sich dem Rezensenten bis zum Ende der Inszenierung nicht. Auch, daß sie alle sieben Schauspieler auf der Bühne als Peer agieren läßt, verwirrt an diesem Theaterabend. Am Ende dann, nach einem kurzen Besuch in einer Irrenanstalt und einem Schiffbruch kehrt Peer alt und verarmt nach Hause zurück. Der elterliche Hof ist verkauft, einzig seine kurze Jugendliebe Solveig, die all die Jahrzehnte auf ihn gewartet hat, erkennt ihn. Sie stellt sich dem Tod in den Weg und schützt Peer mit ihrer Liebe.
Der Applaus am Ende war freundlich und galt vor allem den Schauspielern. Das Programmheft gibt es nur noch digital unter: www.dhaus.de/programmheft-peer-gynt
Redaktion: Frank Becker
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