Gute Aussichten

Tingvall Trio - "Norr"

von Frank Becker
Gute Aussichten

Gestern habe ich an dieser Stelle in den Plattenschrank gegriffen und noch einmal das mitreißende Debüt-Album "Skagerrak" des grandiosen Tingvall Trios vorgestellt. Das schien mir angesichts des neuen Albums "Norr", das mich mit seiner phantastischen Musik völlig gefangen hat, angemessen. Selten genug gelingt es Künstlern, an einen Starterfolg in gleicher Größe anzuknüpfen. Das Trio um den schwedischen Pianisten Martin Tingvall hat dieses Kunststück mit sicherer Hand geschafft: "Norr" ist großartig!

"Utsigt" (Aussicht) ist eine Eröffnung wie ein Traum: zauberhaft, voller Liebe und positiver Gedanken. Martin Tingvalls Klavierspiel und Omar Rodriguez Calvos Behandlung des Kontrabasses vor dem dezenten Hintergrund von Jürgen Spiegels Schlagzeug sind eine Offenbarung. Schöner kann man ein Album nicht beginnen, als mit perlender Klaviatur, einem Baß, der in seiner Lebendigkeit an Charlie Haden und NHØP erinnert und einem Schlagzeuger, der sich nie nach vorne spielt und gerade deshalb so besonders positiv auffällt. "Utsikt" ist Programm.

Mit "Grrr" - schon der Titel ist lautmalerisch genug - kommt Biß in die Sache, die angedeutete Aggressivität wird jedoch gleich in "Snårestad Folkvisa" wieder zurückgenommen. Das auf einem schwedischen Volkslied basierende Stück hat sich ein Mäntelchen umgehängt, das an den frühen Eugen Cicero und ein wenig an Jacques Loussiers Klassik-Adaptionen erinnert. Ein Juwel. Dann wird es mit "Barnslig" noch einmal sehr temperamentvoll und Spiegel von der Leine gelassen, ein hervorragender Drummer auch in der Solo-Aktion. Die Tiel-Ballade "Norr" hat wieder den Zauber des Openers, "Mjau" swingt virtuos, "Båtsregn" hat die gläserne Transparenz eines Bill Evans - wieder ergänzen sich der gefühlvolle Kontrabaß und das Klavier in weicher Perfektion, ebenso im anschließenden "Sekund".

Der Tanz der Waldgnomen "Trooldans" entspricht dem ruppigen Charakter dieser Kobolde, dem "Monster" heftig noch eins drauf setzt, ein mitreißend wuchtiges Stück, wie alle anderen von Martin Tingvall komponiert. So wie "Utsikt" das Album eröffnet hat, schließt "Bachibas" es besinnlich in 3:32 Minuten. Dann kommt wieder etwas, was ich gar nicht mag: nach dreieinhalb Minuten Stille (hier nimmt der uninformierte Hörer die CD längst aus dem Apparat) setzt ein weiteres, nicht verzeichnetes Stück ein, das folglich auch titellos bleibt - ein sogenannter "Hidden Track". Was bitte soll das? Ich will keine versteckten Stücke, ich will wissen, was auf einer CD drauf ist. Schon bei dem neuen Album von Mitschke & Dietz ist mir dieses bei Skip offenbar beliebte Verfahren ärgerlich aufgestoßen.
Trotzdem: höchstes Lob für "Norr". Ein herausragendes Album.

Hier die nächsten Konzerttermine des Tingvall Trios:

26.07.2008 Bad Dürkheim  - Palatia Jazz Festival Schloßruine Limburg
05.09.2008 Rostock Jazzclub
20.09.2008 Hamburg Nacht der Kirchen
10.10.2008 Ludwigsburg Jazzclub
11.10.2008 Bamberg Jazzclub
12.10.2008 Rohrbach Incontri
13.10.2008 Pforzheim Domizil
14.10.2008 Luxemburg Philharmony
24.10.2008 Tryde Kyrka (Sweden) Uno day
25.10.2008 Lund (Sweden) Mejeriet
08.11.2008 Braunschweig Radio Okerwelle
09.11.2008 Aalen Jazzfestival
14.11.2008 Kaliningrad (Russia) Intl. Baltic Jazz Festival
15.11.2008 St. Petersburg (Russia) Intl. Baltic Jazz Festival
Beispielbild
Cover-Foto: Getty Images/stockbyte

Tingvall Trio
Norr


Martin Tingvall  -  Klavier
Omar Rodriguez Calvo  -  Kontrabaß
Jürgen Spiegel  -  Schlagzeug

Produziert von Martin Tingvall und Bernd Skibbe

(P) + © 2008  Skip Records

Titel:
1. Utsikt   5:21
2. Grrr   5:44
3. Snårestad Folkvisa   3:16
4. Barnslig   6:54
5. Norr   3:43
6. Mjau   3:45
7. B
åtsregn   4:26
8. Sekund   4:06
9. Trolldans   3:13
10. Monster   3:43
11. Bachibas   3:34

Gesamtzeit:  55:52

Weitere Informationen unter:
www.skiprecords.com
www.tingvall-trio.de