Das verdächtige Saxophon – „Entartete Musik“ im NS-Staat

Ausstellung vom 25.01.-10.03.08 in der Tonhalle Düsseldorf

von Johannes Vesper
Das verdächtige Saxophon

„Entartete Musik“ im NS-Staat
Ausstellung vom 25.01.-10.03.08 in der Tonhalle Düsseldorf

Janusköpfigkeit

Vielleicht liegt die Janusköpfigkeit ja schon im Begriff. Die Deutsche Kultur ist in Weimar jedenfalls mit Goethe, Schiller und  Buchenwald präsent. Die Parallele in der Musik ist Düsseldorf. In der Stadt Heines, Mendelssohns und Schumanns fanden 1938 die Reichsmusiktage mit der Ausstellung „Entartete Musik“ statt. Nazi-Propaganda gegen „entartete“ Kunst, meist gesteuert vom „Kampfbund für deutsche Kultur“, gab es schon vor 1933. Höhepunkte dieser NS-Propaganda gegen nicht-arische Schriftsteller, Künstler und Musiker waren die öffentlichen Bücherverbrennungen 1933, die  Ausstellung „Entartete Kunst“ (München 1937) und die Düsseldorfer Ausstellung 1938 „Entartete Musik“ im Kunstpalast während der Reichsmusiktage. 1988, 50 Jahre später, wurde die Ausstellung „Entartete Musik“ zum ersten Mal als Rekonstruktion gezeigt, damals von Albrecht Dümling und Peter Girth, dem ehemaligen Intendanten der Berliner Philharmoniker und späterem Intendanten der Düsseldorfer Symphoniker, inauguriert bzw. zusammengestellt. Die Ausstellung reiste durch Deutschland und Europa. Sie wurde in der Alten Oper Frankfurt, in der Wiener Staatsoper, im Concertgebouw Amsterdam, in der Royal Festival Hall London gezeigt, um nur die wichtigsten Stationen zu nennen.

Den Davidstern im Knopfloch

Ideologische Grundlage der nationalsozialistischen Ausgrenzung und Verunglimpfung nicht nur jüdischer  Musik, sondern auch des Jazz und der atonalen Musik war das Rassenprinzip, was bei der Düsseldorfer Ausstellung von 1938 schon im Plakat deutlich wurde. Auf dem Plakat sieht man einen schwarzen Saxophonspieler mit dem Davidstern statt einer Nelke im Knopfloch. Diese Karikatur bezog sich auf  den Herzensbrecher „Jonny“, eine in den 20iger Jahren sehr populäre Chanson-Figur. „Jonny wenn Du Geburtstag hast“  (Fox-Erotic von Friedrich Hollaender):  

Plakat: Veranstalter
„In der kleinen Pony-Bar
ist der Neger Jonny Star.
Der hat wildes Blut in seiner braunen Haut-
oh!
Wenn er auf der Geige spielt,
wenn er mit dem Bogen zielt,
hat er jede Nacht `ne neue Braut.
oh!“
Zu weiterer Popularität kam Jonny durch die Oper „Jonny spielt auf“ von Ernst Krenek, der durch das Chanson  Friedrich Hollaenders dazu angeregt wurde. In der Oper Kreneks ist Jonny eigentlich Jazz-Geiger. Krenek läßt ihn in der Jazzband aber auch zusätzlich Saxophon spielen, und die Wiener Universal-Edition druckte auf ihren Notenausgaben und Titelblättern den Jazzmusiker Jonny immer mit Saxophon ab. Die Aufführung dieser erotischen Jazzoper in der Wiener Staatsoper war ein Skandal. „Jonny spielt auf und Jazz ist Trumpf. Die Kunst versinkt im Judensumpf“ wurde auf Flugblättern gehetzt. Das Saxophon galt als Sinnbild negroid-jüdischer, jedenfalls undeutscher Musik. So forderte der nationalsozialistische „Deutsche Frauenkampfbund gegen Entartung“ schon 1929 ein „Verbot von Saxophonen und Negertänzen“. Den Nationalsozialisten war das Saxophon also per se verdächtig. Dies zum Titel der aktuellen Düsseldorfer Ausstellung.    
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Sorgfältig dokumentiert

Die sorgfältig zusammengestellte Sammlung von Fotos, Texten, Faksimile-Drucken und Kommentaren dokumentiert die Verfolgung nicht arischer Musiker und ihrer Werke während der NS-Zeit, liefert Informationen über die Düsseldorfer Ausstellung von 1938 und ihren Macher Hans Severus Ziegler (ein Nationalsozialist der ersten Stunde und Weimarer Staatstheater-Intendant seit 1936). Es findet sich umfangreiches Material zur NS-Kulturpolitik und zum Widerstand. Die Akte Paul Hindemiths, der ja temporär in die Türkei und später endgültig in die USA emigrierte, ist als Faksimile einsehbar. Die Akte zeigt,  daß der unpolitische Künstler mit reinem Gewissen in solchen Zeiten eine Illusion ist. Bela Bartok, der nicht zu den „entarteten“ Komponist gezählt wurde, der gegen die Rassenpolitik  protestierte, indem er seine Werke aus dem Katalog der „arisierten“ Wiener Universal Edition strich, ist mit seinem Text „Rassenreinheit in der Musik“ (1942 aus dem USA-Exil) vertreten. Über das erstaunliche Musikleben im Zwangsghetto Theresienstadt berichtet Albrecht Dümling. Die NS-Diktatur hatte erkannt, daß das jüdische Kulturleben im Konzentrationslager international werbewirksam dargestellt werden konnte. Erhellend auch sein Essay über „das Beispiel Bruckner, Klassiker-Missbrauch als eigentliche Entartung“.   
Man sieht Fotos von Hitler bei der Aufstellung der Bruckner-Büste in der Walhalla bei Regensburg, Fotos von Richard Strauß im Gespräch mit Goebbels, liest seine Rede als Präsident der Reichsmusikkammer. Man erfährt, wie stark Hitler vor allem natürlich Wagner und Bruckner geschätzt hat, und daß er privat aber durchaus auch den "nicht-arischen" Pianisten Artur Schnabel  und die Operette „Das Schwarzwaldmädel“ des jüdischen Komponisten Leon Jessel hörte, der nach Gestapo-Haft 1941 starb. 
Im Katalog wird auf der ersten Seite Hamlet zitiert:
„Und laßt der Welt, die noch nicht weiß, mich sagen, wie alles dies geschah; so sollt ihr hören von Taten, fleischlich blutig unnatürlich, zufälligen Gerichten, blindem Mord; von Toden, durch Gewalt und List bewirkt, und Planen, die verfehlt zurückgefallen auf der Erfinder Haupt: dies alles kann ich mit Wahrheit melden.“
Das jedenfalls will der Berliner Musikwissenschaftler Dr. Albrecht Dümling, der nach 20 Jahren die Ausstellung von 1988 und den umfangreichen Katalog  unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse auch zu Jazz und Operette in jenen Zeiten gründlich überarbeitet hat.
Das Eröffnungskonzert am 25.01.08 wurde von Albrecht Dümling und Elisabeth von Leliwa moderiert. Kostbarkeiten „entarteter“ Musik  waren zu hören: Erwin Schulhoffs Hot Sonate für Saxophon und Klavier, Victor Ullmanns Lieder nach Friedrich Hölderlin, Adolf Buschs Quintett für Saxophon und Streicher Es-Dur und zum Schluß Liebesleid und Liebesfreud von Fritz Kreisler. Detlef Bensmann (Saxophon), Michael Rische (Klavier) Alexandra von der Weth (Sopran), Roland Techet (Klavier), Franziska Früh (Violine, Christian-Paul Suvaiala (Violine), Ralf Buchkremer(Viola), Nikolaus Trieb (Violoncello), Kira Ratner (Klavier) schlugen mit diesen selten gehörten und exzellent aufgeführten Werken das interessierte Publikum in ihren Bann. Ein musikalisches Ereignis der Sonderklasse.

Weitere Konzerte:
Orchesterkonzert am Mittwoch den 13.02.08 20 Uhr: Detlef Bensmann Saxophon, altstadt herbst orchester, Mark-Andreas Schlingensiepen, Dirigent.
Milhaud
/Erdmann/vonBorck/Weil
Abschlusskonzert: Samstag den 08.03.08 20 Uhr
notabu.ensemble
neue Musik, Martin Lindsay, Bariton, Mark-Andreas-Schlingensiepen, Leitung
Hindemith/Schulhoff/Webern/Kràsa/Karel

Die Ausstellung wurde vom 3.11-31.12.07 in der Berliner Philharmonie gezeigt und ist bis zum 10.03. jetzt in der Düsseldorfer Tonhalle zu sehen. Ein „Muß“ für den Musikfreund.

25.-01.-10.03.08 Ausstellung. Geöffnet Mo-Fr 15-18 Uhr (Eintritt frei) sowie zu den Konzerten (nur mit gültiger Eintrittskarte)
Weitere Informationen unter: www.tonhalle.de