Widerstand ist zwecklos

Eric W. Steinhauer – „Büchergrüfte“

von Robert Sernatini

Warum Büchersammeln wirklich morbide
und Lesen tatsächlich gefährlich ist


Das Lesen kann besonders Mädchen gefährlich werden,
daß sie besser in ein Musäum als in eine Haushaltung taugen.
Was würde aus der Welt werden, wenn das Bürgerweib lieber einen
Musenalmanach  (...) als die Spindel in die Hand nähme?
(Johann Michael Sailer, 1787)

Auf die Gefahr des Buches ist im Laufe der Kulturgeschichte mehrfach hingewiesen worden. Bekannt ist ohnehin landläufig, daß es bei regelmäßiger Anwendung die Dummheit gefährdet. Welch andere Risiken und Rätsel, Kuriositäten und Kalamitäten, Verderb und Verfall sich mit Büchern, zumal den großen Beständen öffentlicher Bibliotheken und in Privatsammlungen verbinden, hat einer aufgezeichnet, der es wissen dürfte. Prof. Dr. Eric W. Steinhauer ist Jurist mit dem Spezialthema Bibliotheksrecht, Honorarprofessor am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und Dezernent für Medienbearbeitung an der Universitätsbibliothek Hagen. Der sollte es wissen.
Tut er auch, vertrauen wir also seinem höchst intimen Fachwissen und lassen uns von ihm kundig in die geheimnisvolle, magische Welt der Bücher, Bibliomanen und Bibliolatrie  entführen – eine Entdeckungsreise mit vielen Überraschungen, bei der wir lernen werden, daß manch einer nicht nur eine Leiche im Keller hat. Mumien, Skelette und Schädel, denken wir nur an Schillers angebliches Cranium auf Goethes Schreibtisch, sind mit der Bibliotheks-Geschichte ebenso verbunden wie geheimnisvolle Todesfälle bei der traditionellen Papierherstellung, die Übertragung von tödlichen Krankheiten durch in Büchern schlummernden Bakterien, Pilzen und Sporen. Spätestens seit Gustav Meyrinks Golem, Robert Louis Stephensons Dr. Jekyll, Mary Shelleys Baron Viktor Frankenstein und Bram Stokers Fürst der Finsternis Graf Dracula ist auch das Blutsaugende und Monströse in die Literatur eingekehrt. Die Einflüsse dieser gruseligen Mythen dräuen seither zwischen Buchdeckeln – und haben auch in Eric W. Steinhauers Betrachtungen Eingang gefunden.
Auch der tiefe Melancholie auslösenden Erkenntnis des Sammlers, der Unmöglichkeit, die gehorteten Büchermassen als Leser je bezwingen zu können und der daraus resultierenden Verzweiflung hat Steinhauer sich einfühlsam genähert. Man wird sich nach der eloquent-düsteren Lektüre dieses die Nachtseite des Büchersammelns erforschenden Traktats dem Buch als solchem entweder nur noch unter starkem Vorbehalt oder fortan in völliger Hingabe widerstandslos nähern können. Ich befürchte seufzend letzteres. 
 
Eric W. Steinhauer – „Büchergrüfte“
© 2014 Lambert Schneider, Darmstadt/WBG, 144 Seiten, gebunden, Fadenheftung, Lesebändchen, mit 9 s/w Abb., Bibliographie   -  ISBN: 9783650400215
16,95 €, für WBG-Mitglieder 12,95 €
 
Weitere Informationen:  www.wbg-wissenverbindet.de  -  www.steinhauer-home.de