Evita lebt!

Ein starkes Stück: „Evita“ feiert Premiere im Wuppertaler Opernhaus

von Daniel Diekhans

Banu Böke - Foto © Uwe Stratmann
Evita lebt!
 
„Evita“. Musical in zwei Akten.
Gesangstexte von Tim Rice, Musik von Andrew Lloyd Webber.
In englischer Sprache mit deutschen Übertiteln
 
Musikalische Leitung: Tobias Deutschmann - Inszenierung und Choreografie: Aurelia Eggers - Bühne: Jürgen Lier - Kostüme: Veronika Lindner - Video: Jakob Creutzburg - Fotos: Uwe Stratmann
Besetzung: Eva Perón (Banu Böke) – Che, Student (Patrick Stanke) – Juan Perón (Olaf Haye) – Augustin Magaldi (Boris Leisenheimer) – Mistress, Peróns Geliebte (Annika Boos) - Opern-, Extra- und Kinderchor und Statisterie der Wuppertaler Bühnen; Tänzerinnen und Tänzer des Estudio de Tango Wuppertal; Sinfonieorchester Wuppertal
 
 
Ein starkes Stück: „Evita“ feiert Premiere im Wuppertaler Opernhaus
 
Evita lebt. Wer einmal in Buenos Aires war, kennt ihr Gesicht. Noch Jahrzehnte nach ihrem frühen Tod ist Evita, Ehefrau des Präsidenten Juan Perón, allgegenwärtig. Sie prangt auf Postkarten, T-Shirts und Buchumschlägen. Wer die „Straße des 9. Juli“ – den prächtigsten Boulevard der argentinischen Hauptstadt – hinunterblickt, sieht ein überlebensgroßes Bild von ihr. Es zeigt Evita in der Rolle ihres Lebens. Als Rednerin am Mikrophon, die die Massen für die Sache ihres Mannes begeistern konnte. Bühnenautor Tim Rice war von der südamerikanischen Ikone so fasziniert, daß er aus ihrem kurzen, intensiven Leben ein Musical machte. Mit der Musik von Andrew Lloyd Webber entwickelte sich „Evita“ seit der Londoner Premiere 1978 zum Welthit. Inzwischen sind 35 Jahre vergangen. Längst ist Juan Perón als skrupelloser Diktator überführt, der seine Frau als politisches Werkzeug benutzte. Interessiert ein Musical über eine Diktatorengattin heute noch? Hat sich das Thema nicht spätestens mit dem „Evita“-Film, der Pop-Ikone Madonna in der Hauptrolle präsentierte, erledigt?
 
Der Mythos zurück auf der Bühne
 
Aurelia Eggers sieht das anders. Für die Regisseurin gehört „Evita“ zurück auf die Bühne. Ihre Inszenierung, die vergangenen Samstag im Wuppertaler Opernhaus Premiere hatte, will gar nicht erst mit der Verfilmung konkurrieren. Das Bühnenbild von Jürgen Lier zeigt zwar einen alten Kinosaal. Doch die von Jakob Creutzburg gelieferten Bilder entlarven sich selbst. Ob nun Evita (Banu Böke) als Schauspielerin oder als Präsidentengattin auf der Leinwand erscheint – ihre Images sind nichts weiter als glattpolierte Illusion. Nur in dem Moment, wo die Titelheldin von ihrem Krebs erfährt, zeigt die Kamera sie in schonungsloser Nahaufnahme. Statt auf Video verläßt sich Eggers lieber auf klassische Theatermittel. Mit Hilfe von Gesang, Musik, Tanz und Kostümen – liebevoll gestaltet von Veronika Lindner – erzählt sie von der Entstehung der Legende Evita. Ein moderner Mythos, der viele Schöpfer hat. Da ist die junge ehrgeizige Eva Duarte, die sich zur Nationalheiligen stilisiert: „Ich bin Argentinien!“ Da ist der machthungrige General Perón (Olaf Haye), der seine Ehefrau als „eine gelungene Mischung aus Hure und Heiliger“ definiert. Da ist schließlich das Volk, dargestellt vom Chor, das seine Träume und Sehnsüchte auf „Santa Evita“ projiziert. Kritiker des Mythos ist der Student Che (Patrick Stanke), der als Erzähler durch die rasante Handlung führt. Am Ende friert Evitas Leinwandlächeln ein, und die Gesichter des Chors treten an ihre Stelle. Che kommentiert: „Die beste Show gab das Volk.“
 

Patrick Stanke, Chor, Statisterie - Foto © Uwe Stratmann

Starke Ensembleleistung
 
Im Wuppertaler Opernhaus gibt das ganze Ensemble sein Bestes. Der Chor ist gut präpariert und wird von Choreografin Aurelia Eggers überzeugend in Szene gesetzt. Tobias Deutschmann führt sein Orchester sicher durch die rasch wechselnden Musiknummern. Für argentinisches Flair stehen Akkordeon und Perkussion, während Gitarren und Keyboards für packende Rock’n’Roll-Einlagen sorgen. Viel Lob auch für die Solisten. Boris Leisenheimer spielt den Tangosänger Augustin Magaldi, der das Mädchen Evita mit nach Buenos Aires nimmt, wunderbar schmierig. Sein Tenor ist weich genug bis hinauf in die Höhen. Auf Olaf Hayes Bariton ist ebenfalls Verlaß. Er verleiht dem Politiker Perón Statur. Seine Zwischentöne lassen hinter der Maske des kühlen Strategen einen Anflug von Empathie für die kranke Evita ahnen. Große Gefühle bringt Sopranistin Annika Boos ein. In der Rolle von Peróns Geliebter, die gnadenlos von Evita ausgebootet wird, hat sie die Sympathien des Publikums auf ihrer Seite. Selbst Che, der Ironiker, reicht ihr ein Taschentuch. Musicalstar Patrick Stanke glänzt in der Rolle des jungen Studenten, der anfangs noch mit Evita flirtet, sich dann aber zu ihrem Gegenspieler mausert. Sein Tenor ist voluminös und doch flexibel genug für die Balladentöne. Als Tänzer führt er das Ensemble an. Der große Star des Abends aber ist selbstverständlich Evita. Banu Böke ist Evita. In diesen zweieinhalb Stunden zeigt sie, was sie kann. Mit größter Leichtigkeit bewegt sie sich über die Bühne. Jede noch so kleine Regung Evitas ist ihrem Gesicht abzulesen: Hoffnung, Angst, Freude, Hass, Triumph. Ihre Sopranpartie füllt sie voll und ganz aus. Mühelos trifft sie noch den höchsten Ton. Wer sie sieht und hört, weiß: Evita lebt. Auf der Bühne. Für eine viel zu kurze Zeit.


(v.l.: Banu Böke, Patrick Stanke, Olaf Haye; Chor, Statisterie  - Foto © Uwe Stratmann
 
Weitere Informationen unter: www.wuppertaler-buehnen.de