Gedichte über die Lebenslust

Zwei neue Lyrik-Bände aus dem Reclam Verlag

von Frank Becker

         

"Warum ist es am Rhein so schön?"
Gedichte
Herausgegeben von Sabine Brenner-Wilczek
© 2007 RUB 18518, 124 Seiten, Broschur, 3,60 €

  "Das Leben ist doch schön!"
Gedichte
Herausgegeben von Heinke Wunderlich
© 2007 Reclam Verlag, 188 Seiten, gebunden, 10,- €


Gedichte sind wieder gesellschaftsfähig.

Daß man nach einer langen Zeit der Geringschätzung von Lyrik vermehrt wieder Gedichte liest, ist sicher nicht zuletzt auf das beharrliche Wirken des Reclam Verlages zurückzuführen, der unbeirrt von Zeitströmungen seit 170 Jahren unter dem Namen Philipp Reclam jun. Lyrik verlegt. Zwei neue Bände liegen jetzt im beliebten Taschenformat vor: "Warum ist es am Rhein so schön?" mit einer Sammlung von Gedichten über den deutschen Schicksalsfluß und "Das Leben ist doch schön", eine Anthologie von Gedichten über die Freude am Leben.

Oft und euphorisch besungen fließt der Rhein seit Menschengedenken als natürliche Grenze zwischen Deutschland und Frankreich - mal von diesem, dann wieder von jenem mit dem Wunsch überschritten, sich des gegenüber liegenden Ufers zu bemächtigen. Vom Nibelungenschatz bis zum Karnevalslied von Willi Ostermann spannt sich der Bogen der vergnüglichen Sammlung, die auch den völkischen Pathos nicht ausspart, der mit dem Rhein ebenso verbunden ist wie die Weinseligkeit von Verbindungsstudenten. Kölner Dom, Drachenfels, Mainz und Bingen, Schaffhausen und Düsseldorf, die Loreley und Speyer sind nur einige der hier versammelten Orte, die von Klopstock und Arndt, von Ringelnatz und Stadler, von Eichendorff und Eulenberg gepriesen wurden. Wohl bleibt die Sammlung marginal, fehlen doch Lieder wie "Altheidelberg, du feine", "Sehnsucht nach dem Rhein" oder "Das Herz am Rhein" - aber das
muß sie wohl auch bleiben. Wer kann in einem schmalen Heft zu geringem Preis schon alles haben? Repräsentativ ist sie allemal.

Eine bunte Sammlung von Gedichten zu Thema Lebensfreude (man fühlt sich durch den Titel an Frank Capras herrlich kitschigen Film erinnert, der zu Weihnachten von beinahe allen Sendern gezeigt wird) ist "Das Leben ist doch schön!", herausgegeben von Heinke Wunderlich. Vom Barock bis heute wird das gute Leben beschworen, das  den Blick für das Schöne im Alltag öffnet. Dabei ist es durchaus eine Frage der Interpretation, was denn nun schön ist. Robert Gernhardt zum Beispiel weiß es zu schätzen, mit süßen Geschöpfen Champagner zu schlürfen, Friedrich Hölderlin entzückt sich wie Helga M. Novak und Emanuel Geibel am Frühling, und Gottfried Benn ergötzt sich am abendlichen Duft der Blüten, während Matthias Claudius die Bescheidenheit preist. Mailieder sind mit vollen Recht schier kaum zu zählen... Wir lernen durch diesen hübschen Band verdienstvoll die Fülle dessen kennen, das unseren grauen Alltag mit Lebensfreude überstrahlen kann, läßt man es nur zu.

Christian Morgenstern: "Das böhmische Dorf"

Palmström reist, mit einem Herrn v. Korf,
in ein sogenanntes böhmisches Dorf.

Unverständlich bleibt ihm alles dort,
von dem ersten bis zum letzten Wort.

Auch v. Korf (der nur des Reimes wegen
ihn begleitet) ist um Rat verlegen.

Doch just dies macht ihn blaß vor Glück.
Tiefentzückt kehrt unser Freund zurück.

Und er schreibt in seine Wochenchronik:
Wieder ein Erlebnis, voll von Honig!