Gespenst

Christian Morgenstern als Reisekolumnist? Aber ja!

von Frank Becker

Christian Morgenstern

Gespenster gibt´s

 

Wir wollen, liebe Leser, heute einmal einen Kolumnisten posthum zu Wort kommen lassen, der mit wachem Blick für die Kleinigkeiten und Widrigkeiten des täglichen Lebens viel Weisheit in die deutschsprachige Lyrik gebracht hat: Christian Morgenstern (1871-1914).

Seine „Galgenlieder“ sind sogar in allerlei Fremdsprachen übertragen worden, so gültig sind seine Einsichten und lyrischen Reflexionen international. Aber wieso auf der Reiseseite? Lesen sie selbst:

 



Gespenst

Es gibt ein Gespenst,
das frißt Taschentücher,
es begleitet dich
auf deiner Reise,
es frißt dir aus dem Koffer,
aus dem Bett,
aus dem Nachttisch,
wie ein Vogel
aus der Hand,
vieles weg, -
nicht alles, nicht auf Ein Mal.

Mit 18 Tüchern,
stolzer Segler,
fuhrst Du hinaus
aufs Meer der Fremde,
mit acht bis sieben
kehrst du zurück,
ein Gram der Hausfrau.


Sie kennen das, geneigte Leser - 1919 wurde diese tiefe Erkenntnis aus seinem Nachlaß im „Gingganz“ veröffentlicht. Kurt Tucholsky dazu in der „Weltbühne“: „Man lacht sich krumm, bewundert hinterher, ernster geworden, eine tiefe Lyrik, die nur im letzten Augenblick ins Spaßhafte abgedreht ist – und merkt zum Schluß, daß man einen philosophischen Satz gelernt hat.“
Eigentlich gehört Morgenstern wie Aspirin ins Reisegepäck.