Endstation

Claudia Bauer versenkt in Wuppertal Tennessee Williams´ „Endstation Sehnsucht“

von Frank Becker

Foto © Frank Becker
Endstation
 
Claudia Bauer versenkt in Wuppertal
Tennessee Williams´ „Endstation Sehnsucht“
 
Inszenierung: Claudia Bauer – Bühne/Kostüme: Patricia Talacko, Bernd Schneider – Musik: Smoking Joe
Besetzung: Blanche DuBois (Sophie Basse) – Stella Kowalski (Anne-Catherine Studer) – Stanley Kowalski (Holger Kraft) – Mitch (Lutz Wessel) – Eunice (Amber Schoop) – Steve (Marco Wohlwend) – Pablo (Hendrik Vogt), sowie Götz Vogel von Vogelstein u. Claudia Schulz
 
Es ist ein wunderbares Theaterstück, voller Poesie einerseits, von brachialer Kraft und durchaus Brutalität zum anderen, berührend und den Zuschauer mitnehmend, wenn, ja wenn es von einer Inszenierung ernst genommen wird. Tennessee Williams hat mit „Endstation Sehnsucht“ (A streetcar named desire) eines der schönsten, dramatischsten Stücke der amerikanischen Theaterliteratur geschrieben, tief die Seelen seiner Figuren am unteren Rand der Gesellschaft ausgelotet – ein Meisterstück über Sehnsüchte und Verlierer. Von den Wuppertaler Bühnen wurde es zuletzt vor 12 Jahren mit der hervorragenden Eike Gercken als Blanche DuBois unter der zwiespältigen Regie von Paolo Magelli und vom TiC 1998 mit der grandiosen Petra Koßmann in einer mustergültigen Inszenierung von Thomas Spielmann aufgeführt. Nun dieser Deutungsversuch von Claudia Bauer, deren Wuppertaler „Macbeth“-Inszenierung noch vielen in Erinnerung sein wird.
 
In das Klima der Perspektivlosigkeit, in dem Blanches Schwester Stella (facettenreich: Anne-Catherine Studer) und deren brutaler Mann Stanley (wuchtig: Holger Kraft) in einem verkommenen Viertel von New Orleans leben, tritt die einst großbürgerliche Blanche DuBois (überzogen: Sophie Basse) als in die letzte Station auf der Flucht vor ihrem verpfuschten Leben ein: alkoholabhängig, nymphomanisch, verlogen, verbrannt. In der beklemmenden Enge und in der feuchten Hitze Louisianas prallen Haß, Habgier, Begehrlichkeiten und Gewalt aufeinander, keimen Gefühle – und werden brutal zertreten. So will es das Stück. Man ahnt zwar, daß Claudia Bauer nach einer modischen Übersetzung dafür gesucht hat – gefunden hat sie sie aber beileibe nicht.
„Die Sanften müssen schimmern“, dieses Zitat der Blanche findet in keinem Moment von Claudia Bauers Inszenierung seinen Niederschlag. Hingegen setzt sie auf en face zum Publikum gebrüllte Dialoge, Stroboskop-Effekte, gewollt schrille Gestalten (ZZ Top und Rockabilly lassen grüßen) auf Klamotte, überzogene Gewalt, ein paar nackte Männer-Ärsche und eine Bühnen-Ausstattung, die zwar so ärmlich ist wie die Welt der Kowalskis und ihrer Nachbarn, aber diese Botschaft dennoch nicht vermittelt.


Sophie Basse und Lutz Wessel - Foto © Uwe Stratmann

Anne-Catherine Studer läßt als Stella das Wechselbad der Gefühlslagen einer Frau aufscheinen, die sich in fataler Abhängigkeit von ihrem brutalen Mann längst aufgegeben hat, Lutz Wessel gibt den ungeschickt um Blanche werbenden aggressiv gehemmten Mitch bis zum Vergewaltigungsversuch einfühlsam, und Holger Kraft, der Brutalo vom Dienst der Wuppertaler Bühnen, wird seiner Rollenzuweisung gerecht. Sophie Basse kann die gebrochene Blanche zwar vorführen, doch nicht überzeugend vermitteln. Sie leidet sie wie ausnahmslos alle anderen Rollen an einer regelrechten Inszenierungswut Bauers. Die wenigen leisen Momente, die diese Blanche dem Publikum öffnen könnten, gehen in unverständlichem Geflüster unter. Allein ihre Schlußszene berührt. Aber da ist es für diese Inszenierung sowieso längst zu spät.
Es ist ein Jammer um das vorzügliche Stück, das mehr Liebe und wirkliche, nicht plakatierte Leidenschaft verdient hätte. Hier konnte man am lebenden Beispiel sehen, wie eine Über-Inszenierung mit hochfliegenden inszenatorischen Ambitionen (ich unterstelle, daß es die gab) ein solides Stück trotz - mit einigen Ausnahmen - guter Darsteller völlig zugrunde richten kann. Claudia Bauer hat das gründlich besorgt. Schade um ein Drama, einen Klassiker, der ohne Schnickschnack seine Wirkung am besten entfaltet.
Es gibt übrigens in den knapp zwei Stunden keine Pause – das Theater wird wissen warum…
 
Weitere Informationen: www.wuppertaler-buehnen.de