1946-1976 - Dreißig Jahre Kölner Leben

Heinz Held - "Köln in Wirtschaftswunderzeiten"

von Frank Becker
Ein wehmütiger
Blick zurück
 
Der Blick der den in Köln ankommenden Reisenden empfängt, begrüßt auch den Betrachter des jetzt beim Emons Verlag in Köln erschienenen Bildbandes "Köln in Wirtschaftswunderzeiten": die monumentale gotische Fassade des Doms, durch die futuristisch verglaste Eingangshalle des Hauptbahnhofs gesehen. Heinz Held (1918–1990), Fotograf und Schriftsteller, war, wenn auch nicht in der lebendigen Stadt am Rhein geboren, doch ein Liebhaber und Freund Kölns, seiner Menschen, Straßen und Häuser. Er wurde, wie das so oft bei Neubürgern ist, aus Neugier zu einem Kenner der Geschichte, der Architektur und Kunst der als Heimat angenommenen Stadt. Köln wurde sein Zuhause, sein Wohnzimmer. Die Fotografien, die der ab 1946 von und in Köln machte, spiegeln die Intimität im Umgang mit dem Alltag der weitgehend im zweiten Weltkrieg zerstörten Stadt, zeichnen den Wiederaufbau, das Verheilen der Wunden und die Veränderungen des Stadtbildes auf.
 
Rund 30.000 Fotos sind der Nachwelt erhalten geblieben. Das Archiv Heinz Helds wurde 1990, zwei Tage vor seinem Tod, von der Stadt Köln für das  Museum Ludwig erworben. Aus dessen reichen Beständen an Vintage Prints hat Dr. Werner Schäfke ca. zweihundert Aufnahmen für den stimmungsvollen Band „Köln in Wirtschaftswunderzeiten“ ausgewählt. Sie zeigen, überwiegend im Stil der Reportagefotografie das Bild einer optimistischen, lebendigen Stadt in einer Zeit des Aufbruchs. Beginnend mit den Trümmerwüsten der frühen Nachkriegszeit bis zum Ende des Wirtschaftswunders Mitte der 70er Jahre spannt sich der Bogen der im stimmungsvollen Schwarz/Weiß gehaltenen Impressionen.
 
Wir sehen Kinder, die unbeschwert zwischen zerbombten Häusern spielen – glückliche Zeit des Kindseins! -, aber auch einen gepflegten jungen Mann, der die menschen- und autoleere Breite Straße entlanggeht, zwei Flaschen Bier für einen verdienten freien Samstagabend in der Hand. Wir lassen die grobkörnigen Konturen einer mächtigen Dampflokomotive auf uns wirken, die mit ihrem Kohletender die Hohenzollernbrücke passiert, können verfolgen, wie sich Baulücken wieder schließen, immer mehr Autos auf den Straßen zu sehen sind und finden sehr häufig Kölns Wahrzeichen, den marginal oder zentral im Bild auftauchenden Dom. Freizeitgenuß am Rhein oder in einem der vielen Kölner Parks, Jecke in Kölns fünfter Jahreszeit, dem Karneval, den Schutzmann bei nächtlicher Kontrolle, Huren, Flaneure und Musikanten, Zeitungsleser, Männer mit Hut, Frauen mit gefährlichen Miniröcken - und immer wieder Kinder. Was wir nicht sehen – denn das gab es nicht, und hier können wir den Zeitenwechsel besonders intensiv beobachten – sind von türkischen Läden bestimmte Straßenzüge und ein teilweise von Kopftüchern muslimischer Frauen beherrschtes Stadtbild, sowie Menschen (überwiegend Mädchen und Frauen) mit am Ohr festgewachsenen Mobiltelefonen – die waren zum Glück nicht erfundenen.


Willy Fleckhaus durcgschaut eine Skulptur von Henry Moore (1952)
 
Heinz Held hat einfach auf alles und jeden seine Kamera gerichtet und auf den Auslöser gedrückt. Plakatwände und Mode, Automodelle, Architektur und Frisuren sagen viel über die jeweilige Zeit aus. So entstand über drei Jahrzehnte ein getreues Bild einer Großstadt, einer Gesellschaft, die seither ihr Gesicht einschneidend verändert hat. Eine opulent zusammengestellte Reise in die eigene Vergangenheit ist das für jene, die es erlebt haben, ein spannendes Bilderbuch aus der Zeit ihrer Eltern und Großeltern, ein Blick auf ihre Wurzeln für die Nachgeborenen.
 
Heinz Held: Köln in Wirtschaftswunderzeiten
Fotoband mit ca. 200 s/w-Aufnahmen, Texte und Notizen von Heinz Held und Beiträge von Joachim Born, Renate Gruber und Werner Schäfke (Hrsg.)
 
Gebunden, geprägter Einband, ill. Schutzumschlag, 24 x 32 cm, 312 Seiten, Zeittafel, Publikationsliste - ISBN 978-3-89705-874-3
49,00 € [D] , 50,50 € [AT]
 
Weitere Informationen unter: www.emons-verlag.de