Die Bilder-Welten der Alina Gross

Der Versuch einer Annäherung

von Frank Becker

Pin Up - Foto © Alina Gross
 Die Bilder-Welten
der Alina Gross

 
Alina Gross inszeniert - sie inszeniert Traumwelten, Märchen, Realitäten, Provokationen - und sie inszeniert sich. Das tut die in Düsseldorf lebende Foto-Designerin seit dem Beginn ihrer bemerkenswerten fotografischen Karriere konsequent, mit Akribie und unter hohem künstlerischem wie materiellem Aufwand. Bereits während ihres Studiums begann sie mit aufwendigen Produktionen, darunter der schwarz-weiße Zyklus "Labyrinthe avec Alinka", durch den 2005 erstmals die Presse nachhaltig auf ihre Arbeit aufmerksam wurde.
Das Diplom mit der Arbeit „Alinka Pandora“*) an der Universität Wuppertal, Ausstellungen in Köln, Düsseldorf und Wuppertal, Foto-Shootings im Studio und Inszenierungen auf Modemessen, hinter Theaterkulissen, in Tiefgaragen, in der Natur und in Kiesgruben markieren den Weg und zeigen die Vielseitigkeit der außergewöhnlich talentierten Fotografin; als freie Mitarbeiterin gestaltete sie die ersten Fotoseiten des Kulturmagazins „Musenblätter“ mit. 
 
*) „In allen Bildern geht es bei der fotografischen Inszenierung um die Kombination von Mensch, Natur und dem Animalischen. Ich stelle mich mal als ein Mischwesen zwischen Mensch und Katze, mal als Blume, Sumpffrau, Nymphe oder kriegerische Amazone dar. Die Nacktheit in meinen Selbst-Bildern ist Teil der Inszenierung, kann verführerisch wirken, aber auch befremden, trägt in jedem Fall eine

Paper Moon - Foto © Alina Gross
symbolische Botschaft. 
In meinen Bildern ist der Körper als Teil der physischen Präsenz ungeheuer wichtig und unverzichtbar, er dient quasi als Projektionsfläche meiner inneren Befindlichkeit. Die Bühne, auf der ich diese Konzepte in Szene setze, ist von Menschen leer, ich kann ungestört mit der Natur verschmelzen. Anteil am Ergebnis der Fotostrecken hat auch das Unberechenbare der Natur, das mitunter maßgeblichen und unmittelbaren Einfluss auf die Arbeit mit und in ihr ausübt. Ich bewege mich in einer Art Zeitverschiebung zwischen den Zeiten. Die Kamera ist dabei meine Tür zwischen den Dimensionen, die ich über das Medium der Fotografie auf meinem Filmstreifen „mit nach Hause zurück bringe“.
Alina Gross (Alinka), 1980 mit ukrainischen, tatarischen und transsilvanischen Vorfahren in Tschernowzy (Tschernowitz), Ukraine/UdSSR geboren, kam mit der Familie 1992 nach Deutschland. Alina fühlte sich bereits als Kind dem Wundersamen, Grotesken zugetan, las viel, insbesondere russische Volksmärchen und Sagen, griechische Mythologie und die dänischen Kunstmärchen H.C. Andersens. Im russischen sozialistischen System in Jugendverbände, Sportvereine und Gruppen eingebunden, stand Alina Gross in Deutschland plötzlich „am Rand“, spürte eine Ausgrenzung und setzte sich folglich noch intensiver mit sich selbst auseinander.
Am Gymnasium Wuppertal-Vohwinkel legte sie im Jahr 2000 das Abitur mit den Schwerpunkten Deutsch und Geschichte ab, als Ergebnis der Auseinandersetzung mit Kultur und Gesellschaft der neuen Heimat. Mit künstlerischer Gestaltung hatte sie bis dahin über den Rahmen des schulischen Kunstunterrichts hinaus erstaunlicherweise noch keine Berührung gehabt.
 
Der erste Kontakt zur Fotografie entstand durch eine Schulkameradin, die einen VHS-Kurs in Fotografie besuchte und ein Modell brauchte – eine Initialzündung: „Das kann ich auch!“ Während sie sich mit den Fotos der Freundin bei Agenturen bewarb und auch für Mode- und Werbe-Fotografie gecastet wurde, begann sie autodidaktisch selber mit der Fotografie, richtete zu Hause ein Studio ein und begann Freunde, Verwandte, Nachbarn und die eigene Schwester zu portraitieren. Erste Grundlagen gewann sie durch ein Praktikum bei dem Solinger Werbefotografen Thomas Philippi (u.a. Telekom, Zwilling, Wilkinson).
Der künftige Studiengang und Lebensweg war sonnenklar: es mußte die Fotografie werden. Beim Auswahlverfahren am Fachbereich Visuelle Kommunikation in Wuppertal konnte sie sich gegen 400 weitere Bewerber durchsetzen und bekam einen der 30 Studienplätze dort zugesprochen. Auch die Folkwang-Hochschule Essen bot ihr einen Studienplatz an, aber Alinka entschied sich 2001 für Wuppertal.


Twin Peaks - Foto © Alina Gross
 
Über Modefotos und journalistische Fotografie dort bei Marc Itzikowitz kam sie sehr bald auf den Schwerpunkt ihrer Studien: die inszenierte szenische Fotografie (bei Susan Lamér) und die gelegentliche Selbstinszenierung im Rahmen aufwendiger Foto-Shootings. Ein Layout-Studium bei Uwe Lösch folgte. Der Austausch mit Thomas Rusch in Paris, mit Svenson (Hamburg, Berlin, Paris) und Udo Spreitzenbarth (New York) gab Alina Gross entscheidende Impulse für ihre Arbeit. Arbeitskontakte (technische Unterstützung) mit Agfa und Epson. Veröffentlichungen in „Max“ und „Photographie“ (Modell) und „Max Online“ (Fotostrecke mit eigenen Arbeiten).
 
Alina Gross: „Meine Selbstporträts liegen in der kunsthistorischen Tradition dieses Genres. Das „Selbstbildnis” im traditionellen Sinn - die Darstellung eines Künstlers mit dem eigenen Gesicht, Körper und persönlicher Ausstrahlung ist heute nicht mehr einzige Form der Selbstdarstellung. Ich habe mich hingegen bewusst für die traditionelle Darstellungsform entschieden. Vom Anbeginn der Kunst genossen biblische, mythologische und historische Szenen mit der menschlichen Gestalt als tragendem Element einen höheren Rang, als z.B. Stillleben. Das fesselte mein Interesse an antiken Sagen und Geschichten über den Ursprung der Welt, am Entstehen der darstellenden Kunst und ihrer Bedeutung. Die Frage, warum so viele Kunstwerke seit jeher ihren starken Ausdruck in der Darstellung der weiblichen Gestalt als elementarer Bestandteil der Natur finden, trieb mich zusätzlich um.“
Alina Gross hat neben Fantasy und Fiction und Film Noir („Anges Obscures“„Studie Androgyn“, „Der Mann, der vom Himmel fiel“, „Film Stills“) die subtil inszenierte Erotik zum Kernthema ihrer Arbeit hinter der Kamera gemacht. Zu den herausragenden Fotostrecken zählen neben ihren erotischen Märchen-Inszenierungen mittlerweile „Absolut makellos“, „Plastic Dreams“, „The Golden Age of Pin Ups“, „Märchen für Erwachsene“, „Paper Moon“, „Les grandes bourgeoises“ und „Die unheimliche Frau“, erotische Zeitreisen in reale wie surreale Phantasiewelten, die auch in Ausstellungen gezeigt wurden. Das Bizarre und Groteske des Alltags, das sie auch in ihrem Leben entdeckt, findet ebenso Eingang in ihre Arbeit.

 
„Ich benutze die Kamera als künstlerisches Werkzeug und die Fotografie als Medium meiner Selbsterfahrung und -darstellung für meine Selbstinszenierungen. Fotografien protokollieren meinen Versuch, unter die zerbrechliche Schale zu blicken, mehr zu sehen, als oberflächlich da ist und das alles durch meinen Körper und die benutzten Symbolismen zum Ausdruck zu bringen. Ich befasse mich mit den Idealen der Weiblichkeit sowie mit den Urbildern der Frau, den weiblichen Bildern in ihrer idealisierten, aber auch bedrohlichen Form. Die Natur wird von mir als Frau personifiziert. Meine Selbstporträts handeln von persönlichen Leidenschaften, Ängsten, sowie den Grenzgängen des Frau-Seins, auf die es gilt, sich einzulassen. Die Vielschichtigkeit der denkenden, fühlenden, handelnden, spielenden, kämpfenden Frau, ihres Wesens und ihrer  Natur kommt in meinen Selbstbildern zum Ausdruck. Ich übernehme in die überkommenen, traditionell überlieferten Darstellungen der Frau, zeige in ihnen die vorgegebene Rolle - und breche sie.“ 
 
Daß aber neben der Provokation und der bitteren Ironie auch Heiterkeit einen Platz in Alina Gross´ Werk hat, zeigt ihre augenzwinkernde Pin-Up-Serie, die mit strahlendem 50er-Jahre-US-Zahnpasta-Lächeln ein mittlerweile klassisches Genre parodiert. Sich selbst sieht sie als verträumt, doch geschäftstüchtig, zielstrebig, jedoch zurückhaltend, neugierig, aber nicht indiskret. „Die gefestigte Basis meines Lebens lasse ich trotz aller Experimentierlust, der Berührung von Grenzen und der Abgründe, die mich bei meiner Arbeit nicht gleichgültig lassen, nicht los.“

Anfänge:
2004 Ausstellung Galerie Konzeptplattform Wuppertal
2004 Teilnahme am Canon ProFashional Photo Award Köln
2005
„Les grandes bourgeoises“ Historische Stadthalle Wuppertal
2006 Ausstellung „Metzgerei Schnitzel - Kunstverein Düsseldorf“
2006 Ausstattung eines Konzeptzimmers im Hotel Artfabrik Wuppertal
 

Die unheimliche Frau - Foto © Alina Gross

Aktuelle Arbeiten und Projekte
2008 nahm Alina Gross, die sich nicht mehr „Alinka“ nennt, sondern bewußt auf die Verniedlichungsform verzichtet, eine Stellung bei der Casting-Model-Schauspielagentur Thomsen (ehemals Coackroach) als Casting-Fotografin an und wurde in Düsseldorf und Hamburg eingesetzt.
2009 folgt eine Einladung zu einer Gruppenausstellung. Thema „der nackte Mensch“.
Sie macht eine Serie von Selbstportraits und nennt sie „Vanitas I-II“.
Das Hauptthema Ihrer Arbeit ist es, Schönheit zu zeigen, welche sich aus bizarren Elementen definiert. Mode, Requisite und Technik benutzt Sie als Mittel zur emotionalen Darstellung von Frauen. Die Ausstellung ist ein Erfolg, und es folgt eine Einladung in die Künstlergruppe
Bergische Kunstgenossenschaft (BKG, deren Mitglied sie seit 2009 ist).
2010 erste Soloausstellung im Studio der BKG. Bei der Ausstellung „Photographie 6 Positionen 2010 lernt Alina den Regisseur Joachim Mais kennen. Mit Ihm beginnt Sie Kurzfilme zu drehen. Es folgt ihre erste Performance. Weitere Kurzfilme folgen. Sie lernt den Komponisten Andreas Resch kennen. Gemeinsam arbeiten sie an Kurzfilmen und Musikvideos.
Ihre neue Muse wird das Model Sydney La Faire. Beide Frauen haben zahlreiche Projekte zusammen gestaltet, sowohl kommerzieller wie auch künstlerischer Art.
2011 folgt eine Ausstellung unter dem Titel „Die unheimliche Frau“ in den Räumen der Wuppertaler Zeitschrift „Bergische Blätter“ – die zur Zeit noch zu sehen ist.
Vom 3. Dezember 2011 bis Anfang Februar 2012 – Eröffnung 3.12.11, 16:00-20:00 - Uhr bis Ende Januar ist die Ausstellung „Die unheimliche Frau“ im Showroom A M P L I T Y D E - Fech & Schäfer GbR - Braut- & Abendmoden Benderstraße 142 - 40625 Düsseldorf zu sehen.
2011 erreicht sie der Ruf zu einer Gastdozentur am Fashion Design Institute Düsseldorf.

Vom 20. November 2011 bis 15. Januar 2012 zeigt die BKG in ihrem Studio, Hofaue 55, Hinterhof, 3. Etage  - 42103 Wuppertal unter dem Titel "leichtsinnlich" ihre Winterausstellung, bei der Alina Gross ebenfalls mit Arbeiten vertreten ist. 


Foto © Alina Gross