Frauen und Zigaretten - gefahrvolle Lust

Sandra Danicke - "Rauchende Frauen - brandgefährlich"

von Frank Becker

Wilhelm Sasnal, Girl Smoking (Peaches), 2011
Lustvolle Gefahr

Frauen und Zigaretten

Frauen sind gefährlich. Grundsätzlich. Das weiß man als Mann. Sind rauchende Frauen gefährlicher? Auf jeden Fall scheinen sie auf eine gewisse Art geheimnisvoll zu sein, lasziv zu wirken oder gar „verworfen“ (was für ein Wort!). Ich erinnere mich gut, daß in meiner Kindheit und Jugend rauchende Frauen den Argwohn vor allem braver Ehegattinnen weckten, die in ihnen eine potentielle Gefahr für die Moral ihrer Männer sahen. Mütter warnten Söhne vor dieser Spezies, die in ihrem durch das Rauchen offenbarten Charakter wohl nicht fern von dem der alttestamentarischen Schlange waren. Eine rauchende Frau auf der Straße gar konnte in den Augen vieler nur noch von einer käuflichen Liebesdienerin übertroffen werden.
 
Die Zeiten haben sich schon lange geändert. Längst gehören Frauen und Mädchen mit Zigarette zum Straßenbild. Und daß rauchende Frauen in der Kunst bereits seit weit über 100 Jahren eine nicht unbedeutende Rolle einnehmen, zeigt ein schmaler, wenn auch höchst unterhaltsamer Band von Sandra Danicke, die - Nichtraucherin – das verflossene 20. Jahrhundert (nebst Abstechern in das späte 19. Jhdt.) nach entsprechenden künstlerischen Belegen durchforstet hat. Sie fand dieser 27 aus Malerei und Fotografie, ihr Selbstporträt nicht mitgezählt. U.a. Felix Valloton, Pablo Picasso und Otto Dix, Tom Wesselmann, Peter Blake, Edward Hopper und Christian Schad, Frida Kahlo, Edouard Manet und Max Beckmann haben Raucherinnen gemalt, William Eggleston, Bob Natkin, Nickolas Muray, Miles Aldridge und Henri Cartier-Bresson haben künstlerische oder dokumentarische Fotos zum Thema gemacht.
 
„Rauchen wir eine?“ war früher einmal ein guter Einstieg in ein Gespräch beim Anbandeln. Man rauchte eine, redete, kam sich dabei vielleicht näher und ging vielleicht später auch zusammen ins Bett. Die Zigarette danach ist legendär geworden, kaum, dass ein Film der 60er und 70er Jahre ohne diesen Topos auskam. Das Kommunikative des gemeinsamen Rauchens steht dem Abweisenden der betont alleine rauchenden Frau diametral gegenüber. Die Zigarette überbrückt Leerräume, verkürzt aber auch das Leben, soviel ist gewiß. Gut, reden wir nicht von Helmut Schmidt. Aber Sabine Bachmann verlor ihr Leben durch einen Glimmstengel, wenn auch nicht durch Lungenkrebs, so doch aber, weil sie im Bett geraucht hat und dabei eingeschlafen ist.
 
Sandra Danicke räumt zwar ein, kein betörenderes Accessoire zu kennen, als eine gekonnt in Szene gesetzte Zigarette und daß der trockene Rausch des Tabaks seinen Vorteil gegenüber dem des Alkohols habe, weist aber auch darauf hin, daß Raucherinnen sich hinsichtlich der schädlichen Folgen selbst belügen. Immerhin hat sie es im 20 Jahre währenden Selbstversuch unternommen, den Sinn und die Idee des Rauchens zu entdecken, worüber sie schließlich zur Nichtraucherin geworden ist, weil sie sich letztenendes eingestehen mußte, „…daß ich keine dieser lasziv rauchenden Diven bin und nie eine sein würde. Daß ich es hasse, wenn jemand sich auf der Rolltreppe über mir eine Zigarette anzündet, daß mich volle Aschenbecher schon immer gestört haben.“ Dennoch oder vielleicht gerade weil sie eine Insiderin des Rauchens ist, beschreibt, analysiert sie die ausgesuchten Kunstwerke scheinbar sachlich kühl, das Ganze jedoch nicht ohne eine gewisse Portion augenzwinkernden Humors. Und es geht auch immer wieder mehr oder weniger unterschwellig um die auch heute immer noch mit dem weiblichen Rauchen verbundene Erotik. Das erotischste, weil unmittelbar nervös machende Bild dazu findet sich ganz bescheiden am Schluß, auf Seite 59: ein von John Rawlings geradezu perfide inszeniertes Foto aus dem Jahr 1961 – „Smoking Ballerina“. Das ist gefährlich.
Frauen sind (s.o.) gefährlich. Wir Männer wissen das. Hüten wir uns vor der Gefahr? Nein. Denn wir lieben sie. Deshalb sind wir ja Männer.
 
Sandra Danicke – „Rauchende Frauen – brandgefährlich“ – mit einem Nachwort von Karin Ceballos Betancour
© 2011 Chr. Belser Verlagsgesellschaft,  64 Seiten, geb. 21x21 cm, ca. 28 farbige Abb., 14,95 €

Gerburg Jahnke - Foto © Harald Hoffmann

Bildbeispiele aus dem Buch können wir Ihnen aus urheberrechtlichen Gründen hier leider nicht zeigen. Achten Sie deshalb auf die Links unter einigen Namen, die zu allgemein zugänglichen Fundstellen führen. Allerdings können wir Ihnen hier (rechts) ein ganz wundervolles Bild vorstellen, das unbedingt in den Band hineingehört hätte, aber nicht drin ist. Der Fotograf Harald Hoffmann hat es uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Dafür unseren herzlichen Dank!
 
Weitere Informationen unter: www.belser-verlag.de  und  www.musenblaetter.de

sowie  www.haraldhoffmann.com