Da geh´ ich ins Maxim...

Wuppertals Lustige Witwe hat Stil, Format und Charme

von Peter Bilsing
Da geh´ ich ins Maxim...
 
Walzerlos glücklich
Wuppertals Lustige Witwe hat Stil, Format und Charme
- und hervorragende Operetten-Sänger!
 
Besucht: dritte Vorstellung am 30.Oktober 2011
 
Wußten Sie es? Operetten-König Lehar hatte 1888 seine musikalische Laufbahn  als Orchestermusiker in Barmen und Elberfeld begonnen.
 
Zwar reizten jene gefürchteten 40 Presstissimo-Takte des Vorspiels die Zuschauer der Vorstellung am 30. Oktober nicht gerade zu einer nachvollziehbaren Galopp-Attacke, auch sprudelt der Champagner anfangs eher im Gusto eines etwas schal gewordnen Rüttgers-Club-Wässerchens, aber im Laufe des Abends sollte das Orchester sich einspielen; und im zweiten Akt agieren sie schon wunderschön und heimelig ganz im Stile eines richtig zu Herzen gehenden Wiener Schrammel-Orchesters. Großer Prunk und wuchtige Orchesterklänge waren auch nicht unbedingt angesagt in dieser netten, schon fast kammermusikalischen, intelligenten und aufs Feinste ausziselierten Produktion.
Wie aktuell ist doch die Geschichte und doch ein schöner Schmarrn: Bankrotter Kleinstaat sucht reiche Erbin zur Staatssanierung. Fällt uns da nicht gleich Griechenland ein? Und da braucht es erst gar keine Frau zu sein, denn wenn die drei größten Reeder des Landes ihre hinterzogenen Steuer-Milliarden nicht im Schurkenstaat Schweiz anlegen würden, wären unsere griechischen Freunde längst saniert. Wenn das Wörtchen wenn nicht wäre...
 
Prächtig karikiert
 
Doch bei Lehar läuft alles ohne "wenn" und "aber" ab: Unsere millionenschwere Witwe Glawari - das ist das Gute an solchen Märchen - saniert am Ende durch Liebes-Heirat doch noch den bankrotten Staat, obwohl sie eigentlich alles verlieren sollte, wenn sie noch einmal heiratet, denn die Moral von der Geschichte ist, daß sie das Geld eben nur dadurch verliert, daß es an ihren neuen Gatten, den Grafen Danilo übergeht. Sehr männerfreundliche Regelung! Dieser ist ein treuer Landsmann und wird es bestimmt nicht in der Schweiz anlegen; oder?
Pascale-Sabine Chevroton ist eine versierte und hochintelligente Musiktheater-Regisseurin mit umfangreicher internationaler Tanzvorbildung. Sie weiß genau, daß Lehars Witwe schnell in allzu viel Walzerseligkeit ertrinkt und reduziert eben diesen klassischen in der Musik immer wieder aufklingen Dreivierteltakt zumindest in der Handlung. Dabei findet sie Bewegungsformen abseits von Tanzstunde und Wiener Opernball, die absolut faszinieren. Die Grisetten - was für fabelhafte und mutige Damen aus dem Chor, Bravi! - umgehen mit allen möglichen ausgesprochen voyeuristisch angelegten Bewegungsnummern den zu erwartenden Cancan, bis sie am Ende, untergehakt von 6 richtigen Tänzerinnen, dann doch den Erwartungen entsprechen. Überhaupt überzeugt die Regisseurin durch unerwartet Erwartetes; sie karikiert prächtig in den vielen Bewegungstanzszenen, eben jenen frivolen Krieg der Geschlechter, um den es letzten Endes geht. Furios ist das Männerballett ("Weiber, Weiber, Weiber...") arrangiert - dermaßen überzeugend, daß das Publikum ("Zugabe, Zugabe...!") eine Wiederholung einfordert, worauf der Kapellmeister auch freundlich eingeht. Mein spontanes "Da Capo!" erzielt zwar einen enormen Lacherfolg bei Bühne und Auditorium - wird aber nicht zur dritten Wiederholung genutzt.
 
Überzeugende Inszenierung
 
Insgesamt eine wunderschöne Inszenierung, die genau auf das Haus zugeschnitten ist. Die wenigen Requisiten im sparsamen Bühnenbild von Jürgen Kirner überzeugen und lassen den Künstlern genug Bewegungs-Raum. Die Kostüme von Tanja Liebermann sind einfach fabelhaft und entsprechen in wunderbarer Weise auch den unterschiedlichen Räumlichkeiten und Stimmungsbildern der drei Akte.
A la bonheur meistert Susanne Geb (Glawari) nicht nur ihre Rolle, sondern besonders das Vilja-Lied. Phantastisch! Ich gebe zu, daß ich bis zu diesem Zeitpunkt ob des Musikalischen noch relativ unschlüssig war, aber so eine tolle Interpretation brachte auch das Publikum endlich in die nötige Champagner-Laune, um bis zum Finale auch stimmungsmäßig in den unumgänglichen Klatschmärschen die innere Freude nach außen zu expandieren. Thomas Laske war ein vorzüglicher Danilo, der den Charme des frühen Jopi Heesters ganz unprätentiös herüber brachte. Grandios, hier erwächst eine Lehar-Ideal-Stimme: Corby Welch als Gast (Rosillon). Und auch die anderen Partien waren überzeugend besetzt.
 
Chöre und Tanz
 
In vorbildlicher Qualität präsentierten sich die Chöre (Choreinstudierung Jens Bingert) und ich muß hier noch einmal ausdrücklich die Beweglichkeit der Damen loben, welche die einstudierten Tanznummern toll umsetzten. Mein Hochachtung und Respekt!
Für mich die eigentliche Saisoneröffnung. Bestens unterhaltende Operette auf hohem Niveau. Auch eine gelungene Alternative zu diesem fürchterlichen Harald-Schmidt-Sch... an der Rheinoper. Hier wird Lehar ernst genommen und jeder im Publikum geht summend und fröhlich nach Hause. Auch der ansonsten griesgrämige Opernkritiker. ;-)
 
Weitere Informationen unter: www.wuppertaler-buehnen.de  und  musenblaetter.de