Kastaniengiraffen - und andere Herbstlichkeiten

Aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Foto © Frank Becker
Kastaniengiraffen
und andere Herbstlichkeiten

17. Oktober: Onkel Dago erzählte den Kindern ein Herbstmärchen: „Häßliche Menschen können auch starke Liebe empfinden. Wenn sich zwei häßliche Menschen ineinander verlieben, küssen sie sich leidenschaftlich wie zwei schöne Menschen. Es sieht nur nicht so gut aus. Zum Glück wissen viele Menschen nicht, daß sie häßlich sind, da Gott sie in seiner Güte strohdumm bleiben ließ.“ Die Kinder klatschten und hatten ihre Lektion für das Leben gelernt. Wer liebt ist schön.
 
18. Oktober: Als sie miteinander telefonierten, fiel ihm das Puzzle um, daß er seit einem Monat versucht hatte, zusammenzusetzen. „Mist“, sagte er. „Jetzt ist mir das Puzzle hingefallen.“ Da hatte sie, trotz des Unglücks, lachen müssen.
 
20. Oktober: Wenn Monika vor Glück lachte, kamen ihr oft Tränen, die sie verschämt und kopfschüttelnd verrieb. (Wie verlaufende Tinte auf einem Liebesbrief) Edmund schaute dann immer in den Himmel, als erwarte er dort einen Regenbogen.
 
23. Oktober: Sein Herbstherz weinte. Die Sonne blendete ihn. Gestern sammelte er Kastanien und war ganz traurig. „Hatte ich mal aus ihnen Giraffen gebastelt?“, flüsterte er. „Wacklige Ungetüme, die immer umfallen?“ Er trug Kastanien in seinen Taschen, damit er sie streicheln konnte. „Mein Herbstherz weint. Mein Kastanienkopf will geschüttelt werden“, sagte er, dann fiel er um.
 
25. Oktober: Herr Markwitz nahm sich vor, als alter Mann einen Fahrradhelm zu tragen. Die Kopfbedeckung würde ihn sehr agil wirken lassen. Manchmal war es wichtig, daß man überschätzt wird.
 
27. Oktober: Retro: Während sich die Vögel mühsam die Klingeltöne der ersten Handys aneigneten, wählen nun viele Handybenutzer Vogelstimmen aus, um ihren Handys das Technische zu nehmen.


 
 © Erwin Grosche - für die Musenblätter 2011