Et Heez op dr Zunge

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Et Heez op dr Zunge
 
Der Rheinländer gilt anderen als ungehobelter Klotz, als distanzloses Rauhbein: immer ein Quentchen zu laut, immer eine Prise zu vulgär. Wärme und Herzlichkeit, nein, das sei wahrlich nicht seine Stärke. Welch ein Irrtum! Er trägt diese Eigenschaften allerdings nicht immer deutlich zur Schau und ein Ohr für Zwischentöne muß einer schon haben, wenn er das Herz des Rheinländers entdecken will: oft verbirgt er es gerade dann hinter einem barschen Spruch, wenn ihm etwas nahe gegangen ist.
Einer meiner Freunde lebte jahrelang in der Kölner Südstadt und besuchte täglich ab 18 Uhr seine Stammkneipe, nennen wir sie: „Bei dr Tant“. Dann zog er weg. Weit weg. Jahre später verschlug es ihn nach Köln und in die Südstadt. Einer Laune folgend - oder war es doch Heimweh? - lenkte er seine Schritte in die ehemalige Stammkneipe, öffnete die Tür: aha, alles wie früher!, und ging an den Tresen, hinter dem wie eh und je die Tant stund. Ohne ihren Blick zu heben stellte sie ihm ein Kölsch hin und sagte nichts als: "Wo wors Du?". Kein Wort mehr. Das ist Köln.
Manchmal trägt er sein Herz auch auf der Zunge. Mariele Millowitsch hat so eine Sternstunde erlebt: eine alte Frau, e richtig kölsch Mädche, steigt in Ehrenfeld in die Straßenbahn und setzt sich direkt hinter den Fahrer. Ein kleiner Rehpinscher, Marke 'wehe wenn ich groß bin', sitzt auf ihrem Arm. Wimmernd leckt er sein frisch verbundenes Pfötchen. Die Straßenbahn fährt los und schon beschwert sie sich lautstark beim Fahrer über dat Jeruckels, wo doch dat ärm Tierche ewwends beim Tieraaz wor. Der Fahrer muß nach vorne schauen, was die Frau dazu bringt, noch lauter und noch eindringlicher zu klagen. Als ihr Klagen gar kein Ende mehr nimmt, hält der Fahrer, dreht sich zu der Frau um und sagt: "Och, lev Frau, wenn ich jewußt hätt, dat dat esu schlimm ess, wör ich mi'm Auto jekumme!" Und jetzt soll noch einer sagen, der Rheinländer wäre ein ungehobelter Klotz.
Also dann…
 
…in diesem Sinne
Ihr
Konrad Beikircher



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