Glück muß der Mensch haben!

Komische Kunst von Gerhard Glück im Lappan Verlag

von Frank Becker

Glück muß der Mensch haben!

Der Lappan Verlag präsentiert einen repräsentativen Querschnitt aus dem
komischen Werk von Gerhard Glück

"Vincent klaut schon wieder Sonnenblumen" ist der Titel des Originals, von dessen üppigem Querformat wir auf dem Umschlag des opulenten Bandes einen Ausschnitt sehen. Vom Zeichner ertappt, schaut Vincent van Gogh verlegen aus  seinem eigenem Œuvre heraus den Betrachter an. Gerhard Glück, selber ein achtbarer Maler, hat sich in seinem komischen Werk unter anderem auch der Kunst seiner berühmteren Kollegen und deren Rezeption angenommen.

Kunst & Co.


Das erste Kapitel "Kunst & Co." des jetzt im Lappan Verlag erschienenen Buches nimmt sich der Sicht Glücks auf die Kunst und ihre Erscheinungsformen an. Gleich das erste Doppelblatt (S. 20/21) ist ein herrlicher Spaß, der kundig die Schule von Barbizon karikiert. Leonardo, Rembrandt, Dürer, Pollock, Turner und Mondrian - Glück hat für alles den passenden Kommentar. Sein Giacometti- Gummibaum trifft den Punkt ebenso komisch und akkurat mit liebenswerter Ironie wie die Übersetzung von Dalis brennender Giraffe in Otto Knutkowskis Garten. Manet und Monet werden in typischen Lebenssituationen vorgeführt, wir erleben die Anfänge von Mirós modernem Schaffen und lachen über einen Kentaur beim Haarewaschen vor Böcklinscher Kulisse.

Aus tiefstem Herzen empfinde ich den Entsetzensschrei nach, den Gerhard Glück auf dem Gesicht von Ortrud Schweigert gesehen und sofort festgehalten hat, nachdem die Dame das Munch-Museum
aufgesucht hatte. Munchs "Der Schrei" mag ja eines der berühmtesten Gemälde der Kunstgeschichte sein, aber ihm etwas abgewinnen kann ich ebensowenig, wie das Frau Schweigert offenbar konnte. Da löst sich doch ein erleichtertes Kichern, nach dem Motto: "Was´n Glück, daß du nicht der einzige `Banause´ bist!".
Gerrit Rietvelds Sessel "Rood en Blauw" (1918), eine ins Dreidimensionale übertragene Variante des "Stijl" kriegt seinen Teil ebenso wie die glotzenden Touristen vor der (man spürt es!) genervten Mona Lisa. Am liebsten würde ich hier alle Bilder im Detail beschreiben, aber ein bißchen muß man ja dem geneigten Leser auch noch selbst überlassen - und das Buch hat schließlich weitere Kapitel. Eins noch, weil es so gut zu einer derzeit stattfindenden Sommerloch-Zeitungskampagne paßt: mehr oder minder Prominente stellen ihr Lieblingsbild vor. Das hat Gerhard Glück schon

Museumsdirektor H.G. und sein
Lieblingsbild
1992 mit "Museumsdirektor H.G.  und sein Lieblingsbild" gemacht.

Opulent, farbig, skurril

318 großformatige Seiten hat der Band, der beim Blättern ahnen läßt, was den Zeichner Gerhard Glück so umtreibt. Es sind die kleinen Details, die vielen vielleicht selbstverständlich erscheinen und doch beim genauen Hinsehen so wichtig sind. Es sind die Widersprüchlichkeiten des täglichen Lebens, des Umgangs miteinander. Es sind Träume, Ängste und Skurrilitäten. Absurdes und Stinknormales stehen völlig unkommentiert nebeneinander, wodurch sie die Berechtigung der Frage, was den nun normal sei, legitimieren. Das Ziel: ein erkennendes Lächeln, Schmunzeln, Lachen zu erzeugen, das ruhig auch mal sardonisch, schadenfroh oder hämisch sein darf.

Liebenswerte Details

Jedes Bild steckt so voller liebenswerter Details, verborgener oder offen zur Schau gestellter Sympathie für die Menschen und Tiere, Situationen und Phantasien, daß man lange vor einem jeden verharren kann, um es genüßlich aufzunehmen. Da setzt sich z.B. bei "Der erste Gratulant" das Tapetenmuster auf dem Polstersessel und den Stores fort, während im milden Morgenlicht
Rosenknospen in einer kristallnen Vase leuchten und dieses Leuchten sich auch in der gegenseitigen Wertschätzung von Herrin und Hund wiederfindet. Ein Musikfreund hat es sich auf dem Sofa mit einem Glas Rotwein bequem gemacht, um Beethoven zu hören. Die Ansage aus dem streicholzschachtelgroßen Transistorradio: "Und nun Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 3 in Es-Dur, die
`Eroica´, gespielt von den New Yorker Philharmonikern...". Das hat Größe. Die Schweiz ist nichts weiter als eine überdimensionierte Sparbüchse, in der Nachsaison wird mit Handschuhen, Pudelmütze und Wolljacke geschwommen, der Tierpfleger liest dem gar nicht amüsierten Affen die besten Zoo-Witze vor und ob die Zirkusschnecke den Sprung durch den brennenden Reifen schafft? Wir wissen es nicht. "Das Schlimmste ist eigentlich die Überwindung", hat Gerhard Glück diese Szene genannt.

Erklären sie mal einem Humorlosen einen Witz...

Und Gerhard Glück greift ein an Aktualität kaum zu übertreffendes Thema auf, das uns wohl künftig

Karikaturist versucht seinen Witz zu
erklären.
leider immer wieder beschäftigen, nein: belästigen wird. Es die sich wiederholende Groteske des Kniefalls vor humorlosen Dogmatikern, die uns vorschreiben wollen, worüber wir lachen dürfen, was wir sagen und zeigen dürfen. Gleich ob solche vernagelten Typen aus Polen, Rußland oder dem ins tiefe Mittelalter zurückfallenden Orient kommen - es ist ein Ärgernis und es ist so notwendig und wünschenswert wie ein Kropf.
Es gehört zu unserer Kultur, frei seine Meinung in Wort, Schrift und Bild äußern zu können. Diese demokratischen Rechte haben wir uns gegen die Widerstände von Despoten erkämpft. Das ist ein Glück. Lassen wir es uns nicht nehmen.

"Glück" - Komische Kunst von Gerhard Glück, © 2007 Lappan Verlag
318 Seiten mit beinahe ebensovielen ganzseitigen farbigen Illustrationen, gebunden mit Schutzumschlag, 24 x 31,5 cm, 39,95 €

Weitere Informationen unter: www.lappan.de