Faszination „Griffelkunst“

Ein Besuch im Käthe Kollwitz Museum Köln

von Jürgen Koller
Faszination „Griffelkunst“
Ein Besuch im Käthe Kollwitz Museum Köln
 
Den heute ungebräuchlichen Begriff „Griffelkunst“ hat einst der Leipziger Symbolist Max Klinger geprägt. Gemeint sind künstlerische Techniken, die mittels eines Griffels, steht synonym für Bleistift oder Radiernadel,  grafisches Arbeiten erlaubt. Auch Käthe Kollwitz (1867–1945) benutzte ab und an den Begriff, hatte sie sich doch bereits in jungen Jahren neben der Zeichenkunst besonders der Radierung und der Lithografie zugewandt. In der Zeichnung und ganz besonders in der Druckgrafik hatte sie für sich jenes Medium gefunden, das ihrem künstlerischen Credo am besten entsprach. Für die Arbeit an der Skulptur hatte sie sich erst in reiferen künstlerischen Jahren entschieden.
 
Und so wird ein Besuch im kleinen, aber feinen Käthe Kollwitz Museum im Obergeschoß der Kölner Neumarkt Passage für Freunde der Zeichenkunst, der grafischen Künste und der Bronzeplastik ein wahres Fest für’s Auge. Gegründet wurde das Kollwitz-Museum von der Kölner Kreissparkasse im Jahre 1985. Auf etwa 1000 qm wird der inzwischen international größte Bestand an Werken dieser herausragenden Künstlerin gezeigt, die als erste Frau 1919 in die Preußische Akademie der Künste unter gleichzeitiger Verleihung des Professorentitels aufgenommen wurde. Die Kölner Sammlung konzentriert sich speziell auf die Zeichnungen aus allen Schaffensperioden, mit beinhaltend die Vorstudien zu den Grafikzyklen und zu den Skulpturen, aber natürlich auch alle wichtigen Grafikzyklen, so „Ein Weberaufstand“ (1893 -1897), „Bauernkrieg“ (1902-1908), die Holzschnittzyklen „Krieg“ (1921-1922) und „Proletariat“ (1925) sowie die lithografierte Folge “Tod“ (1934-1937). Auch verfügt das Museum über alle wichtigen, teilweise sehr seltenen Einzelblätter und Plakatentwürfe sowie über das plastische Werk in fünfzehn Bronzeskulpturen.
 
Zeitlebens fühlte sich Käthe Kollwitz den einfachen Menschen, den hart arbeitenden Proletariern und den sozial Schwachen, den Müttern und Kindern emotional eng verbunden, obwohl sie selbst aus einem bürgerlich geprägten Umfeld ihrer Geburtsstadt Königsberg stammte, wo sie am 8.Juli 1867 geboren wurde. Wichtige Impulse vermittelte ihr schon in frühen Jahren ihr Großvater Julius Rupp, der als Gründer der ersten freireligiösen Gemeinde Deutschlands in Königsberg großes Ansehen genoß. Dessen christlich geprägten, sozialreformerischen Gedankengut blieb Käthe Kollwitz auch später verbunden, obwohl ihr besonders in den katastrophalen sozialen Verhältnissen nach dem 1. Weltkrieg bewußt geworden war, daß durch Reformen die sozialen Gegebenheiten nicht grundlegend geändert werden könnten. Bestärkt wurde diese Einsicht durch die Erfahrungen ihres Ehemannes Dr. Karl Kollwitz, der im proletarischen Berliner Norden als niedergelassener Kassenarzt praktizierte.
 
Ihre „Kunst sollte Zwecke“ (K.K.) haben, und so notierte sie im November 1922:
“… Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind…“ Dieses Eintreten für die Unterdrückten, für die Schwachen, Armen und Kranken und ihr leidenschaftlicher Kampf gegen den Krieg machte es dem kommunistischen Regime in der DDR so leicht, diese bedeutende Künstlerin ideologisch für die Kunst des „sozialistischen Realismus“ zu vereinnahmen. Bereits in dem 1950 vom damaligen Sachsenverlag Dresden herausgegebenen Bildband „Käthe Kollwitz“ wird das in dem Begleittext deutlich herausgestellt, wo es u.a. heißt: „…bei Käthe Kollwitz (wird) trotz mancherlei bürgerlicher Bürde die neue Kraft des Proletariats bereits als tragendes Element wirksam“.
Dabei stand die Kollwitz der bolschewistischen Revolution in Rußland durchaus kritisch gegenüber,

Gerhard Strauss - Käthe Kollwitz
© 1950 Sachsenverlag, Dresden
wie sie in einem Brief an Maxim Gorki feststellte. Auch hat sie 1919, als sie zum ersten Mal wählen durfte, nicht dem Spartakusbund/ Kommunisten ihre Stimme gegeben, sondern der USPD. Daß sie den erschütternden Holzschnitt „Karl Liebknecht auf dem Totenbett“ künstlerisch meisterhaft gestalten konnte, resultierte aus ihrem Haß auf die feigen Mörder von Liebknecht und Luxemburg. Sie haßte den deutschen Militarismus und seine Hintermänner, seit ihr 18-jähriger Sohn Peter als Kriegsfreiwilliger in der Nacht vom 22. zum 23. Oktober 1914 bei Dixmuiden / Flandern gefallen war. Der Verlust ihres geliebten jüngeren Sohnes war als traumatisches Erlebnis fortan bestimmend für ihr grafisches und plastisches Werk. Erst 1932, nach jahrelanger künstlerischer Auseinandersetzung mit dem Thema „Tod und Trauer“, konnten die trauernden Elternfiguren als granitenes Mahnmal für den Frieden auf dem Soldatenfriedhof Roggefelde in Belgien aufgestellt werden, dort, wo ihr Sohn seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Kopien der trauernden Eltern stehen seit 1959 in Alt St. Alban, Köln. Ihre letzte Lithografie aus dem Jahre 1942 heißt denn auch “Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden“ – das Vermächtnis der Künstlerin gegen Soldatentod und Krieg.
 
Die Vereinnahmung der Künstlerin und ihres Werkes durch die DDR-Kulturpolitik verhinderte bis in die 70er Jahre hinein eine Rezeption ihrer Kunst in der Bundesrepublik. Deshalb heißt es in einer Werbeschrift des Museums programmatisch: „Das Kölner Kollwitz Museum sieht seine Aufgabe auch darin, einen neuen Zugang zum Werk dieser bedeutenden Künstlerin zu eröffnen und den hohen künstlerischen Gehalt ihres Schaffens in Zeichnung, Grafik und Skulptur zu verdeutlichen.“
 
Einst war es Kaiser Wilhelm II. gewesen, der Käthe Kollwitz die Kleine Goldmedaille, für die sie von Adolf Menzel für ihren Grafikzyklus „Ein Weberaufstand“ anläßlich der Großen Berliner Kunstausstellung 1898 vorgeschlagen worden war, mit den Worten verweigerte: „Ich will keine Rinnsteinkunst“. Daraufhin erwarb Max Lehrs die Grafikfolge für das Dresdner Kupferstichkabinett, damit begann die systematische Sammlung ihrer Arbeiten durch deutsche Museen.

© 1981 Reclam Verlag, Leipzig
Nach dem Verlust ihrer Wohnung und der Zerstörung zahlreicher Werke durch einen Bombenangriff auf Berlin 1943 fand sie nach einem Zwischenaufenthalt in Nordhausen in Moritzburg bei Dresden ihre letzte Wohnstatt. Es mußte wohl so sein, ausgerechnet ein Vertreter des sächsischen Adels, Ernst Heinrich, Prinz von Sachsen, hatte die betagte Künstlerin eingeladen, zu ihm nach Moritzburg zu kommen. Käthe Kollwitz starb dort am 22. April 1945. 
 
Ein eindrucksvolles Selbstzeugnis von Käthe Kollwitz sind ihre „Bekenntnisse“, die beim Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig, 1981, erschienen sind. Das Reclam-Taschenbuch ist ebenso wie das Buch von Gerhard Strauss antiquarisch noch erhältlich.

Käthe Kollwitz Museum
Neumarkt 18 – 24, 50667 Köln
Tel. (0221) 227 -2899 / 2602;  www.kollwitz.de ; museum@kollwitz.de
 
Di. bis Fr. 10.00 – 18.00 Uhr
Sa./So. und an Feiertagen 11.00 – 18.00 Uhr
Mo. geschlossen
Öffentl. Führungen So. 15.00 Uhr

Redaktion: Frank Becker