"Freie Fahrt ins Glück" und "Im Land der Sehnsucht"

Zwei hübsche Italien-Bücher der ars Edition

von Frank Becker



         


Ulrike von Jordans: "Freie Fahrt ins Glück" - mit Illustrationen von Caroline Ronnefeldt
© ars Edition 2007, 95 S., geb., mit Postkarten zum Herausnehmen und Briefen zum Erleben,
19,5 x 19,5 cm, 16,90 €

  Im Land der Sehnsucht
Eine italienische Reise – Anthologie von Prosa und Lyrik deutscher Dichter
© ars Edition 2007, 64 S., Leinen mit Fotos von Max Galli, 22,5 cm x 24,5 cm, 14,90 €


Italien - der Deutschen liebstes Sehnsuchtsland


Nicht erst seit Goethe besingen deutsche Dichter das Land, in dem die Zitronen blühen, auch schon vor Angelika Kaufmann zogen deutsche Maler über die Alpen, um die zauberhaften Landschaften mit ihren Relikten der klassischen Antike einzufangen, und frühe Touristen wie Seume, Goethe oder Bierbaum machten sich zu Fuß, mit der Kutsche oder dem Automobil auf die Reise. Nach dem Elend der schrecklichen Kriege, die im vergangenen Jahrhundert Europa verwüsteten, war Italien seiner Sonne, Strände, Pinien und liebenswerten Menschen wegen das erträumte Ziel, zu dem sich die Deutschen bei der ersten großen Reisewelle in den 50er Jahren mit den sauer abgesparten D-Mark auf den Weg machten. Wer ein eigenes Auto hatte, war fein raus. Die meisten aber nahmen mit schwerem Gepäck die Eisenbahn via München oder sie reisten mit Busgesellschaften, deren Reiseleiter anfangs noch während der mindestens drei Tage dauernden Fahrt unterwegs zum Übernachten Zelte aufschlugen und auf dem Spirituskocher das Abendessen zubereiteten. Das Reisen war damals wieder ein Abenteuer, wie es schon einhundert Jahre früher und davor  eins gewesen war. Dutzende aus heutiger Sicht wieder interessanter Spielfilme hatten Italienreisen zum Inhalt, Schlager u.a. von Rudi Schuricke und René Carol besangen die Sehnsucht der Deutschen nach Palmen und Strand und später das Heimweh der ihrer Not wegen nach Deutschland verschlagenen italienischen Gastarbeiter.

Und immer noch ist Italien nicht nur einen Seufzer, sondern auch der attraktiven Angebote wegen stets eine Reise wert. Der Verlag ars Edition trägt dem in seinem aktuellen Programm mit zwei besonders hübschen Bänden Rechnung.
"Im Land der Sehnsucht"
versammelt ausgewählte Lyrik und Prosatexte überwiegend deutscher Dichter zum Lobe Italiens. Begleitet von stimmungsvollen Fotografien von Max Galli lesen wir Goethes berühmtes "Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn", klagt Paul Heyse den Abschiedsschmerz beim Scheiden von Sorrent, hören wir Heinrich Leuthold in köstlichen Knüttelversen die Orangenhaine von Neapel gegen die deutsche Zitterpappel ausspielen und August Graf von Platen den milden Himmel von Florenz rühmen. Max Gallis treffliche Fotografien wurden zu Briefen Fontanes, der Venedig schildert, Max von Boehns Beschreibung Sienas und C.F. Meyers "Der römische Brunnen" gesellt. Ein Buch, das nicht nur erklärten Italien-Liebhabern und Lyrik-Freunden bei jedem Durchblättern oder intensivem Lesen neu tiefe Freude spendet. Wer Gedichte liebt,  je in Italien war oder einmal hin möchte, zieht Gewinn aus diesem delikaten Band.

Ein ganz besonders liebevoll gestaltetes Schmankerl ist Ulrike von Jordans Beschreibung der Italienfahrt eines jungen Mannes mit einer Vespa, dem Inbegriff der italienischen Fortbewegung: "Freie Fahrt ins Glück". So zeitlos wie das Gefährt ist auch die Reise, die unser Freund Albert mit vielen attraktiven Stationen und ein wenig charmantem Geflunker unternimmt. Mit eingeklebten Kuverts, die Bilder, Briefe und Postkarten enthalten, Zetteln mit Bonmots und Rezepten und vielen Zitaten aus der Literatur legendärer Italienreisender ausgestattet, erinnert der handliche Band ein wenig an Dinah Nelkens unvergeßliche Bücher "Ich an dich" und "Ich an mich" - ohne diese jedoch erreichen zu können.
Über die Blumenstadt Meran in Südtirol, die sich noch immer nicht richtig italienisch fühlt, führt ihn sein Weg nach Verona, wo er in der Arena eine Vorstellung der Aida besucht und anschließend "beseelt" in die Nacht hinausgeht. Das hat aber seine Urlaubskasse (er verrät es nicht) um mindesten 100,- € geschmälert, denn die Veranstalter sind da nicht bescheiden. Und wer es als Opernfreund einmal erlebt hat, kann nur abraten - miese Akustik und dritte Liga!

Aber was soll´s - Venedig lockt. Man möchte dabei sein, wenn er den Canal Grande (nicht "Canale") mit dem Vaporetto befährt, im berümten "Florian" seinen Caffé trinkt (der mal eben 6,80 € kostet, auch kein Pappenstiel für einen jungen Vespa-Reisenden) und über die Piazetta schlendert. Ravenna, Rimini, Florenz, Pisa, Rom, Neapel... Albert reist weiter, obwohl er sich unterwegs in Giulia verliebt hat. Neapel, Pompeji, Capri - die Fahrt führt ihn, begleitet von wunderschön ausgesuchten Literaturstellen, weiter bis Sizilien. Taormina, Messina, Mortelle, Palermo - und die Spuren der Antike finden sich in Syrakus, Agrigent, Selinunt. Aber in Sizilien schummelt Ulrike Jordan am schlimmsten: den Winzern dort unterschiebt sie eine zugegeben hübsche Flasche Barbera, die aus der gut 1.500 km nördlich gelegenen Provinz Asti stammt - um genau zu sein vom Weingut Cascinacastle´t. Das sollte man nicht tun.
Trotz seiner Fehler und, nennen wir es "kleinen Korrekturen der Wirklichkeit" ist das reizend gemachte und mit Fotos von Romy Gallina ausgestattete Bändchen wie auch die oben beschriebene Anthologie ein hübsches Geschenk für Italienfreunde und solche, die einfach nur originelle Bücher mögen.