Bundesverdienstkreuz

von Horst Wolf Müller

Horst Wolf Müller - Foto © Frank Becker

Bundesverdienstkreuz
 
Dr. Kormann ist das Bundesverdienstkreuz verliehen worden.
Dies zu feiern
hat er vierzig Personen
zu einem Festessen eingeladen.
Solche, die ihm etwas gelten
und solche, die ihm nahe stehen
räumlich getrennt.
Ort: ein kleiner barocker Saal
des Schlosses Kappelhoff
Stofftapeten, dunkle Ölbilder
Porträts derer von Kappelhoff.
Vor dem Dinner
fragt man sich raunend in Stehgruppen:
Wofür hat er es eigentlich bekommen?
Da gehen die Theorien auseinander.
Für sein Gesamtwerk, erklärt ein Buchhändler.
Für die Chronik von Wesselbüren
weiß der Vorstand des Kunstvereins.
In einer anderen Gruppe
wird respektlos geredet.
Nichten und Neffen der Frau Kormann
stellen die These auf
man brauche in erster Linie einflußreiche Fürsprecher
die in der Lage sind
jemanden als eine systemerhaltende Persönlichkeit
glaubwürdig zu charakterisieren.
Leistungen für die Allgemeinheit
haben Tausende aufzuweisen.
Dieser Staat aber honoriere lieber
Zuverlässigkeit.
Karyatide müsse man sein
sagt Neffe Ansgar, Jurist in München
Das Essen sagt allen zu
als Hauptgang Heilbutt, gedünstet
zwischen Dessert und Espresso
sind noch einige Reden angesetzt
Der Preisträger spricht als erster.
Mit sanfter Ironie
blickt er auf seine Brust hinab.
„Wenn mich irgendetwas überrascht hat
dann dieser Orden.
Ich habe viel eher damit gerechnet
Ehrenmitglied der Schützenbruderschaft zu werden.“
Im spätbarocken Saal
aufgeklärte Heiterkeit.

Von den anderen Rednern
brilliert der Münchner Jurist
der seine Rede in Reime gesetzt hat
Trage dein Kreuz mit Fassung
rät er ihm gegen Schluß.
Das Gelächter wird etwas frivoler.
Dann spricht Kormanns Studienfreund Borwin
ein skurriler Herr von siebzig.
Er holt weit aus
verwirrt sich etwas in der Historie
und im Nationalsozialismus.
Dieser Seuche habe der Ausgezeichnete
mit passiver Resistenz widerstanden
indem er bettlägerig wurde.
Er bekam Malaria
wie andere die Hitleritis.
Er selber, Borwin
habe im Dritten Reich
über Negerstämme gearbeitet
das müßte er zu seiner Entlastung doch sagen.
Da beginnt ein Dr. Schlüter zu filmen
das Schnarren der Kamera bringt Borwin
in die Gegenwart zurück.
Hartnäckiger Beifall
erstickt seinen Redestrom.
Jemand erhebt sich am Tisch
streckt sein volles Weinglas in den Raum
und deklamiert:
„Auf Frau Doktor Kormann
die es ihrem Gatten
durch ihre Allgegenwart
ermöglichte
sich um das Vaterland verdient zu machen!“
 
 
Horst Wolf Müller


© Host Wolf Müller - Erstveröffenlichung in den Musenblättern 2011