Die Mafia verstehen

Leonardo Sciascia - "Der Tag der Eule"

von Frank Becker
Brillanter Ansatz, die Mafia zu erklären

Eher ein Roman über Sizilien denn ein sizilianischer Kriminalroman ist Leonardo Sciascias Buch über die mafiösen gesellschaftlichen Strukturen und den verbissenen Kampf der Carabinieri gegen dieses Geflecht von Macht und Kriminalität (und vice versa). Sciascia beschrieb 1961, neunzehn Jahre nach dem Ende der faschistischen Maßnahmen unter Cesare Mori (1871-1942) gegen die Mafia Siziliens in seinem ersten und berühmtesten Roman die Schwierigkeiten und die Methoden, das Gesetz des Schweigens, der Omerta, aufzubrechen.

Wo Alltag gewordene Kriminalität, korrupte Politik, Wirtschaft und Kirche eine fatale Union eingegangen sind (Italien ist da 2011 unter Silvio Berlusconi nicht besser als Sizilien 1961), sind List, Methodik und Beharrlichkeit gefordert, Licht ins Dunkel zu tragen, den Sumpf auszutrocknen. Leonarde Sciascia (1921-1989) zeigt das an der Figur des Capitano Bellodi, seiner Marescialli und Brigadiere, die den dünnen Faden eines in aller Öffentlichkeit begangenen Mordfalles aufnehmen, zum Strick für Täter, Anstifter und Padrone knüpfen - aber schließlich an der Einflußnahme durch der Mafia verpflichtete politische Kreise scheitern müssen.

Sciascias Buch ist ein Loblied auf die Carabinieri, die in Sizilien quasi im Feindesland arbeiten, intelligent strukturiert und philosophisch wie literarisch unterbaut, das zugleich das erschreckende Selbstverständnis des organisierten Verbrechens und seine Radikalität transparent macht.. Auch heute, 50 Jahre später, ein brillanter Ansatz, die Mafia zu erklären. Eine Empfehlung der Musenblätter.
Beispielbild


Leonardo Sciascia
Der Tag der Eule
Ein sizilianischer Kriminalroman

deutsch von Ariana Giachi

© 1961 EA / 2009 Wagenbach Verlag

142 Seiten, broschiert, WAT 619
9,90 €

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