Et ovends en dr Weetschaff

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Et ovends en dr Weetschaff
 
Wissen Sie, was das Schöne an unseren schlechten Fernsehprogrammen ist? Daß man immer mehr nette Leute in den Kneipen antrifft, und zwar zu vernünftigen Zeiten. Das war vor zwanzig Jahren noch ganz, ganz anders, nur erinnert man sich kaum daran. Aber es war doch so: Man hat bis 23 Uhr abends die Staßenfeger angeguckt, dann ist man noch schnell auf ein Kölsch oder zwei (naja, naja!) eravjejange, und kaum hat man ein vernünftiges Wort gewechselt, wor et al Zick für nohm Bett. Und wer war bis dahin in den Kneipen? Die Profis. Kein Wunder, daß die Kneipe amfürsich immer mehr in einen schlechten Ruf kam. Die einzigste (um diesen wundervoll überflüssigen rheinischen Superlativ zu gebrauchen) Zeit, in der man ansonsten nette Leute traf, war zwischen 18 und 19 Uhr. Un hück? Et is beinoh wie fröher: bis sechs oder sibbe Uhr sinn die Lück am arbigge, dann noh Hus für sich frisch ze maache und dann av: jet esse oder dreck om dr Eck für ze klaafe. Un do stonn se all: die Frühen und die Späten, die Macher und die Gemachten, die Halben und die Ganzen. Sie stehen ein Kölsch oder einen Deckel lang, aber sie stehen da und erzählen. Erinnern Sie sich noch an die trüben Soziologen, die uns vor zig Jahren das Ende der Kommunikation an die Wand malten? Eine schweigende Gesellschaft von Fernsehern? Selten wurde die Wissenschaft so offensichtlich Lügen gestraft. Und allen voran das Rheinland. Meine sehr verehrten Damen und Herren Schwarzmaler: das Rheinland hat die Gesellschaft revolutioniert. Heimlich und leise. Die rheinische Kneipe ist wieder DER Kommunikationstempel (brrr! wat e Wort!) geworden, der Zeitgeist wird vom Rheinland aus genesen, und dabei ist nicht wichtig, wie viele Kölsch der Hals eravzische, weil es auch da wat Neues jitt: neben den Profis stehen heutzutage immer mehr Leute, die ganz andere Sachen trinken, aber dennoch bis zum Ende 'geduldet' werden. Ein Hoch der rheinischen Toleranz, die in der kölschen Ausgabe sogar dem Ausländerhaß ein Schnippchen geschlagen hat, z.B. Eigelstein, und die wieder einmal dabei ist, dem richtigen Leben auf Kosten von Fernsehen und Soziologen eine Bresche zu schlagen. Also dann, bis hück ovend en dr Weetschaff!
 
In diesem Sinne
Ihr
Konrad Beikircher
 
 
 © Konrad Beikircher - Redaktion: Frank Becker