„Kunst verwandelt“

Skulpturen und Installationen auf der Koblenzer Bundesgartenschau

von Rainer K. Wick

Bernar Venet, Arc - Foto © Rainer K. Wick
„Kunst verwandelt“
 
Skulpturen und Installationen
auf der Koblenzer Bundesgartenschau
 

Gärten als Sehnsuchtsorte
 
Macht man die Statistik zum Maßstab für das Gelingen einer Großveranstaltung, dann ist die Bundesgartenschau 2011 in Koblenz bereits zur Halbzeit ein Riesenerfolg.
Eröffnet am 15. April, wurde sie schon Anfang Juli von 1,5 Millionen Menschen besucht, und bis zum 16. Oktober, wenn sich ihre Pforten schließen, werden mindestens 3 Millionen Besucher erwartet. Nun sagt in einer kritiklos dem Fetisch Eventkultur huldigenden Massengesellschaft die große Zahl allein nicht unbedingt etwas über die Qualität eines Ereignisses.
Über die gärtnerische Gestaltung und die floralen Darbietungen der an drei Standorten befindlichen Kernbereiche der Bundesgartenschau – Ehrenbreitstein, Blumenhof am Deutschen Eck (beide durch eine neue Seilbahn über den Rhein miteinander verbunden), Kurfürstliches Schloß – mag man geteilter Meinung sein; nicht alle hochgespannten Erwartungen werden erfüllt.
Daß die Gestaltung von Gärten selbst Kunst sein kann, läßt sich historisch bis ins Altertum zurückverfolgen – vom alten Ägypten und den sagenumwobenen hängenden Gärten der Semiramis in Babylon über römische Palast- und mittelalterliche Klostergärten, Gartenanlagen der Renaissance, des Manierismus und des Barock bis hin zum englischen Landschaftsgarten und zu zeitgenössischen Garteninszenierungen. Oft sind diese Gärten Sehnsuchtsorte, Entwürfe einer besseren Welt, zeigen sie Wege nach Utopia. Eines ihrer Hauptmerkmale ist die Zähmung der Natur durch den Menschen, ist ihre Künstlichkeit, selbst dort, wo alles naturwüchsig zu sein scheint. Und diese Künstlichkeit manifestiert sich nicht nur in artifiziell geplanten, oft architektonisch gefaßten Anlagen, sondern auch darin, daß zusätzlich Kunstwerke – insbesondere in Gestalt von Skulpturen – zu einem essentiellen Bestandteil von Gärten gehören.
 
Das BUGA-Kunstkonzept
 
Wenn nun auf dem weitläufigen Gelände der diesjährigen Bundesgartenschau in Koblenz Werke

Jannis Kounellis, Installation St. Kastor - Foto © Rainer K. Wick
zeitgenössischer Künstler Aufstellung gefunden haben, dann ist das vom Ansatz her weder neu noch originell. Ohne allzu sehr in die Vergangenheit zurückzugreifen, beziehen sich die Veranstalter explizit auf die „Tradition der documenta, deren Wurzeln in der Bundesgartenschau 1955 in Kassel liegen“. Damit wird allerdings die Latte extrem hoch gelegt. Denn das Kunstprogramm der BUGA-Verantwortlichen, das unter dem etwas nebulösen Motto „Kunst verwandelt“ rangiert, nimmt sich doch vergleichsweise bescheiden aus. Gleichwohl ist es den beiden Kuratorinnen, der Direktorin des Koblenzer Ludwig Museums Beate Reifenscheid und der Frankfurter Galeristin Heike Strelow, gelungen, auf der Bundesgartenschau ein breites Spektrum aktueller künstlerischer Positionen zu präsentieren. Neben internationalen Stars wie Bernar Venet mit seiner monumentalen, aus der Urform des Kreises entwickeleten „Arc“-Skulptur aus Corten-Stahl oder Jannis Kounellis, der in der Basilika St. Kastor am Deutschen Eck mit einer eindrucksvollen, allerdings nicht BUGA-spezifischen, sondern auf den Sakralraum bezugnehmenden Installation aufwartet, sind auch jüngere Künstlerinnen und Künstler vertreten, die mit ihren ganz unterschiedlichen Arbeiten zu einem abwechslungsreichen und spannungsvollen Gesamtbild beitragen.
Ulrike Kirchner, Planungsleiterin der Koblenzer BUGA Koblenz, hebt hervor, daß „die Kunst … auf der Bundesgartenschau Koblenz 2011 einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung von Gartenräumen (leistet). Durch sie können die Besucher auch bekannte oder vertraute Dinge aus einem neuen Blickwinkel sehen“ – eine Rhetorik, die unverbindlicher nicht sein könnte. Konkreter ist da schon die Feststellung, daß die Kunst auf der BUGA nicht dekoratives Beiwerk und willkürliche Zutat sein wolle, sondern sich mit den je spezifischen Orten bewußt auseinandersetze und zu ihnen in eine dialogische Beziehung trete.
 
Mannigfaltige Einzelbeiträge
 
So spielen beispielsweise die am Kurfürstlichen Schloß aufgestellten kegelartigen Skulpturen „Grass Skirts“ von Michele Brody, Metallgerüste, die mit feiner Spitze bespannt sind und an Reifröcke erinnern, auf den historischen Kontext – die Zeit des Spätbarocks – an. Die Pointe: aus der Spitze

Hans Arp, Bewegtes Tanzgeschmeide, dahinter Bonnie Collura
Doc-Pride-Humility - Foto © Rainer K. Wick
sprießen zaghaft erste Grashalme. Im Blumenhof thematisiert die Figur „Espaliered Woman II“ von Laura Ford, ein Mischwesen aus Frau und Baum, die – durch ein imaginäres Spalier gebändigten – Übergänge zwischen Mensch und Natur. Und auf dem Freigelände am Ehrenbreitstein hat Chris Drury im Angesicht der Mündung der Mosel in den Rhein die mit „Moselle Rhine Whirlpool“ betitelte, strudelförmige Bodenskulptur aus regionaltypischem Schiefer plaziert. (In Klammern sei angemerkt, daß Koblenz seinen Namen von Lateinischen „castellum apud confluentes“, also dem Römerkastell am Zusammenfluß von Rhein und Mosel, herleitet.) Diese Arbeit steht in der Tradition der klassischen Land Art, der das Museum Ludwig im Deutschherrenhaus am Deutschen Eck eine von Beate Reifenscheid kuratierte eigene Themenausstellung widmet, die integraler Bestandteil des Gesamtkonzeptes der BUGA ist (dazu in den „Musenblättern“ demnächst mehr). Das Schweizer Künstler-Duo Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger hat im Bereich des Ehrenbreitsteins einen ausgedienten Überseecontainer aufgestellt, mit seitlichen Fenstern und Oberlichtern ausgestattet und im Inneren unterschiedlichste Pflanzen angesiedelt, die unkontrolliert aus Koffern, Taschen und Schuhen herauswuchern. Der Titel „Les Envahisseurs!“ macht deutlich, daß es sich hier um Eindringlinge, um Invasoren, handelt, wie sie manchem Gärtner das Leben schwer machen. Dieses Szenario als „Utopie des gesellschaftlichen Zusammenlebens“ (Katalog) zu interpretieren, erscheint allerdings doch etwas an den Haaren herbeigezogen.
Daß es sich bei der Kunst auf der BUGA nur bedingt um einen Skulpturen-Parcours im herkömmlichen Sinne handelt, zeigen im Bereich des Kurfürstlichen Schlosses der „Klanggarten“ des Komponisten Peter Kiefer (mit mehreren Gastkünstlern) und am Deutschherrenhaus HD Schraders „Batnestinghouses“. Es handelt sich um eine Objekt- und Soundinstallation, nämlich um in einem Baum hängende Doppelkästen, die für Fledermäuse bewohnbar sind; hier kann der Besucher dem für Menschen an sich nicht hörbaren „Sprachgesang“ einer Fledermaus lauschen.
Mit einem Klassiker der modernen Skulptur wartet der Schloßplatz der Festung Ehrenbreitstein auf. Als Leihgabe des Arp Museums in Rolandseck wurde hier dominant die große Bronzeplastik „Bewegtes Tanzgeschmeide“ von Hans Arp plaziert, also eine Arbeit jenes Künstlers, der auch im Mittelpunkt der aktuellen Schau „Biomorph!“ im Arp Museums in Remagen-Rolandseck steht (ein Bericht in den „Musenblättern“ folgt). Um es aber nicht zu „klassisch“ werden zu lassen, konfrontiert die Kuratorin Heike Strelow die Skulptur von Arp mit der in grellem Gelb daherkommenden Plastik „Doc/Pride/Humility“ der amerikanischen Künstlerin Bonnie Collura, einem Pasticcio aus Frauenkopf, Mickey-Mouse-Hand, Fischernetz und sonstigen, höchst heterogenen Einzelelementen in der Tradition von Dada und Pop.
 

HD Schrader, Batnestinghouses  - Foto © Rainer K. Wick

Ohne auf alle künstlerischen Beiträge zur Bundesgartenschau eingehen zu können, sei abschließend auf den schmalen BUGA-Kunstkatalog „Kunst verwandelt“ hingewiesen (56 Seiten). In ihm finden sich Abbildungen sämtlicher Arbeiten sowie kurze Erläuterungen zu den einzelnen Werken (ISBN 978-3-943204-00-1). Sie ist gegen eine Schutzgebühr von 4,- € im Koblenzer Museum Ludwig, an den BUGa-Infopavillons sowie im BUGA-Merchandising im Gärtnermarkt und an der Bergstation der Seilbahn erhältlich.


Chris Drury, Moselle Rhine Whirlpool - Foto © Rainer K. Wick
 
Nähere Informationen zur Bundesgartenschau unter http://www.buga2011.de/web/index.php