Neu Bau Land:
Architektur, Stadtumbau und Landschaftsplanung in den neuen Bundesländern 1990-2007
Wenn die Architektur eines Landes Ausdruck seiner Kultur ist - es gibt gute Gründe dies anzunehmen - dann sind die neuen Bundesländer auf einem guten Wege. Siebzehn Jahre nach der Wiedervereinigung wird erstmalig die Architektur ausgestellt, die seitdem in den Grenzen der ehemaligen DDR neu entstanden ist. Nachdem dort jahrzehntelang Bauten und architektonische Kostbarkeiten verkommen waren, ist jetzt wahrscheinlich nirgendwo besser und in solcher Fülle die Architektur der Jahrhundert- bzw. Jahrtausendwende zu studieren. Architektur der Systeme„Sozialistische Stadt = Ausdruck der sozialistischen Demokratie und der Macht des Volkes“ (Städtebau-Vorlesung TU Dresden 1982) Nach dem Kriege war in der DDR mit dem Konzept der „sozialistischen Stadt“ durchaus der Versuch unternommen worden, bei kollektiver Verfügung über Grund und Boden die Ideen des Sozialismus in Architektur und Städtebau abzubilden. Das ideologische Denken wurde dann aber durch ökonomische Zwänge begrenzt. So wurden Potsdam, Dresden, Chemnitz und Leipzig gottseidank nicht vollständig zu sozialistischen Städten umgebaut, aber es entstanden doch für das Staatsvolk der DDR große Aufmarschstraßen und Plattenbauten in kaum ausreichender Zahl, wobei die „Unwirtlichkeit der Städte“ (Alexander Mitscherlich) in der Nachkriegszeit kein isoliertes DDR-Problem war. Das Konzept der autogerechten Stadt in dem Nachkriegswestdeuschland war auch nicht besser. Umdenken
Seit 1990 aber wurde in den neuen Bundesländern eben neu und anders gedacht und dementsprechend gebaut. Dabei wurden auch dort Fehlentwicklungen nicht vermieden. Inzwischen stehen 1,3 Millionen Wohnungen in diesen Bundesländern leer, nach dem zur Wende der Wohnungsbau angekurbelt werden mußte, da 400.000 Wohnungen als unbewohnbar gesperrt waren und 700.000 begründete Wohnungsanträge vorlagen. Die Ansiedlung von Baumärkten und Einfamilienhaus-Siedlungen auf der freien Wiese mit entsprechender Verödung der Innenstädte ist auch in den neuen Bundesländern problematisch. Die Mahnung, daß auch jetzt noch wertvolle
Jedenfalls wurde seit 1990 praktisch das ganze ehemalige DDR-Land neu gebaut. Verwaltungsgebäude, Schulen, Museen, Synagogen, Einfamilienhäuser und Siedlungen, Messebauten, Flughäfen, Fabriken entstanden. Berühmte, ja weltbekannte Architekten haben mitgemacht. Aber auch junge Büros aus den neuen Bundesländern waren bei den Ausschreibungen sehr erfolgreich und bieten schöne Architektur. Es wurde aber nicht nur neu sondern auch umgebaut. „Hier entsteht eine Wiese“ war auf einem Bauschild in Hoyerswerda zu lesen. Chancen genutzt
Die beteiligten Architekten haben die Chancen des notwendigen Wiederaufbaus, Umbaus und Rückbaus in den 17 Jahren seit der Wiedervereinigung genutzt, und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Es kann noch bis zum 26.08.07 im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt betrachtet werden. Die Ausstellung „Neubauland“ umfaßt 3 Themen: 145 Neu- und Umbauten werden vorgestellt, davon 25 ausführlich. Außerdem werden die Probleme des Stadt-Um- und Rückbaus am Beispiel von sechs Städten exemplarisch dokumentiert. Das dritte Thema betrifft den gewaltigen Landschaftsumbau der Braunkohle-Tagebau-Gebiete. Die Auswahl der besprochen Werke entstand beim Durchblättern des opulenten Katalog-Bandes und ist naturgemäß subjektiv. Vorbildliche Architekturen Die Idee des neugebauten Umweltbundesamtes in Dessau (sauerbruch hutton architects Berlin, Bauzeit 2002-2005) zeigt sich in einem viergeschossigen geschwungenen Gebäude-Band, welches einen länglich gebogenen, glasgedeckten und bepflanzten Innenhof umfaßt. Die Außenfassaden des Komplexes sind durch 5 durchlaufende, breite Lärchenholzbänder als Geschossgrenzen sowie farbige Fensterelemente charakterisiert. Der ehemalige Wörlitzer Bahnhof und eine alte
Neben großen spektakulären Neubauten wie dem Sächsischen Landtag (1991-97 Prof. Peter Kulka Köln), dem BMW-Werk Leipzig (2002-2005 Zaha Hadid), der Neuen Messe Leipzig (1993-1995 gmp-von Gerkhan, Marg u. Partner, Architekten Hamburg), dem Technologie- u. Forschungszentrum Wismar (1998-2003 Jean Nouvel), der wie eine staufische, gläserne Burg erscheinenden, 32 m hohen Universitätsbibliothek Cottbus (1998-2004 Herzog & de Meuron, Basel), dem Theater Erfurt (1997-2003 pfp Architekten Hamburg), dem Hauptbahnhof Dresden (1997-2006 Foster+Partners, London) finden sich jedoch auch Kleinode neuer Architektur: wie z.B. das Hirtenhaus in Quedlinburg (Abelmann + Vielain, Berlin). Dabei handelt es sich um den Aus- und Umbau eines kleinen Fachwerkhauses des 18. Jahrhunderts am Rande der Altstadt. Auch der Glasbau auf den alten Mauern des Konventgebäudes des Klosters Volkenroda (Planungsgruppe Stieldorf, Hornschuh-Pollich-Türler) respektiert in besonderer Weise die
Stadt-Umbau und Stadt-Rückbau Der Rückbau von Leinefelde nach der Wende ist eines der größten Stadtumbauprojekte in den neuen Bundesländern. Dazu in Kürze: In den 50er und 60er Jahren wurde nicht nur der Kalibergbau gefördert, sondern nach 1961 wurde dort als Folge des Eichsfeldplans eine der größten Baumwollspinnereien Europas mit 6.000 Arbeitern aus dem Boden der immer schon armen Region gestampft. Die Bevölkerung von Leinefelde wuchs von 2.500 Menschen um 1960 bis 1986 auf 16.500 an. Nach der Wende und der Abwicklung des Textilkombinats nahm die Bevölkerung schnell ab - mit den Folgen Leerstand, Vandalismus und Jugendgewalt. Der zunehmende Leerstand der Plattenbauten führte zum Konzept der Stadtverkleinerung. Die physische Schrumpfung der Stadt war unausweichlich. Hier die Zahlen: von den 14.000 Menschen zur Zeit der Wende wohnten 2006 noch 5.700 in Leinefelde. 1.600 Wohnung verschwanden, 2.000 Wohnung wurden komplett saniert, 878 teilsaniert. 103 Wohnungen entstanden neu. Dieser Stadtumbau hat ca. 144 Millionen € gekostet. Landschaftserneuerung nach dem Braunkohletagebau Die größte Landschaftsbaustelle der Welt befindet sich in der Lausitz und der Region um Leipzig. Seit Jahrzehnten wütet dort der Braunkohletagebau. Seit 1965 verschwanden mehr als 80 Dörfer. Unrentabler Tagebau wurde nach 1990 eingestellt und man mußte darüber nachdenken, wie mit den Bergbaufolgelandschaften umzugehen sei. Wüstenlandschaften mit Oasen inklusive Erlebnischarakter als Touristenattraktion der besonderen Art wurden vorgeschlagen. Der vernünftigen Bevölkerung war aber ein solches Projekt nicht zu vermitteln.
Faszination übte hingegen die Umwandlung der Bergbauregion in eine riesige Seenlandschaft aus. Tagebaurestsseen entstanden bzw. entstehen und bilden das Lausitzer Seenland (140 qkm Wasserfläche) und die mitteldeutsche Seenlandschaft südlich von Leipzig. Landmarken wie die ehemalige Abraumförderbrücke in Lichterfeld (502 m Länge, 240 m Breite, bis zu 80 m hoch; weltweit die größte technische Anlage überhaupt) oder die „Ferropolis“ bei Gräfenhainichen (fünf Tagebaugroßgeräte mit Blick auf die Seen) oder der Bitterfelder Bogen von Claus Bury (in den Musenblättern besprochen) erinnern an den Tagebau. Künstliche Touristenattraktionen wie Vergnügungsparks und Erlebniswelten scheinen dennoch für nötig erachtet zu werden. Die Fotos des Katalogs zeigen die grandiose Zerstörung durch den Bergbau und den Wiederaufbau der Bergbaufolge-Landschaften.
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