Kühltaschen

Aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Foto © Frank Becker
Kühltaschen

12. Juli: Kühltaschen. Wenn Kühltaschen nicht zum Kühlen gebraucht werden, sind sie einfach nur häßliche Taschen, die kühlen könnten, wenn jemand da wäre, der gekühlt werden wollte. Im Winter sind Kühltaschen sowieso unnütz und unterfordert. Sie stehen auf Schränken rum und erinnern an Grillpartys im Freien. Ich kenne Kühltaschen, die können sogar heiße Suppen länger heiß sein lassen, obwohl das gar nicht zu ihren eigentlichen Aufgaben gehört. Ein wenig Klarheit täte hier allen Kühltaschenbesitzern gut. Ich sah einmal zwei Männer, die trugen gemeinsam eine leere Kühltasche. Das sah schon ziemlich peinlich aus, aber schön, daß der Klügere der beiden den Kühltaschenbesitzer diesen sinnlosen Gang nicht alleine gehen ließ. Wer setzt sich schon gerne alleine den Blicken von Menschen aus, die eine Kühltasche nur mit kalten Speisen in Verbindung bringen? Ich kenne eine Frau, die trug immer das Herz ihres Mannes in einer Kühltasche mit sich.
 
15. Juli: Goldene Filmregel: Das Nichts in einer Zeitlupe zu zeigen bringt nicht wirklich was. Wer das Nichts verlangsamt und so in den Mittelpunkt stellt, verfälscht seine Bedeutung.
 
16. Juli: Wie schön, daß du in meiner Zeit aufgetaucht bist. Daß du in meiner Welt lebst, in meiner Stadt wohnst und mir begegnet bist. Wie schön, daß ich in meiner Jugend von dir träumen durfte und mich nun an dich erinnern darf.



© Erwin Grosche - für die Musenblätter 2011
Redaktion: Frank Becker