Padermann zweifelt an Schopenhauer

Aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Foto © Frank Becker
20. Juni: Schatz, du bist dran. Ein Vorlesebuch für Paare.
 
21. Juni: Padermann las gerne Schopenhauer: „Man muß lernen, auch in der Gesellschaft einsam zu sein, nicht alles, was man denkt, anderen mitteilen, noch es genau nehmen, mit dem was sie sagen, und keinesfalls den Gleichmut verlieren. man muß also, mitten unter ihnen, nie ganz in ihrer Gesellschaft sein. So betrachtet ist dann die Gesellschaft einem Feuer zu vergleichen, an dem der Kluge sich in einiger Entfernung wärmt.“ Später fragte sich Padermann, was denn die kontaktfreudigen Rheinländer zu dieser These sagen würden, doch er traute sich nicht sie zu fragen. Er hatte Angst, von ihnen sofort umarmt zu werden.
 
24. Juni: Er hatte den Kontakt zu dem Kind, das er mal war,  völlig abgebrochen. Nichts was nur im Entferntesten an sein Kindsein erinnerte, wollte er wahrhaben. „Das ist mir fremd geworden, sagte er. „Wir haben uns auseinander gelebt.“  Er schaute auf das Foto von dem Kind, das er mal gewesen war und erkannte sich nicht mehr. „Ich hatte ja damals gar keine Ahnung“, sagte er. „Ich war unschuldig und brauchte kein Geld. Wie naiv ich war.“




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Redaktion: Frank Becker