Klatschvieh

Ein offenes Wort

von Peter Bilsing
Klatschvieh
 
Mittlerweile scheint sich eine selten dämliche Unsitte aus den Bereichen der Militär-, Pop- und Volksmusik auch in den Sälen der Opern- und Konzertbühne immer mehr zu etablieren: das rhythmische Parteitagsklatschen.

Eine Tradition, ein Gehabe oder sagen wir ruhig: ein Ritus, welchen man früher einzig und allein auf kommunistischen Massenveranstaltungen fand, bei denen z.B. der Massenmörder J.W. Stalin und ähnliche rote Despoten jener Zeit und Couleur sich feiern ließen und der heute nur noch in als „Volksrepubliken“ verkleideten Diktaturen wie Nordkorea und China gepflegt wird. Deutlich erinnere ich mich an Fernsehbilder von Parteitagen der KPdSU, wo mitunter bis zu einer Viertelstunde oder gar mehr rhythmisch „auf 1“ zum Lobe des jeweiligen Diktators geklatscht wurde. Nicht anders bei der SED (später PDS, heute „Die Linke“) - die Staats- und Parteichefs der „Ostzone“ (SBZ/DDR) vom „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen“-Lügner Walter Ulbricht bis zum Schießbefehl-Verbrecher Erich Honecker ließen sich von ihren Komsomolzen ähnlich feiern.
Westliche demokratische Parteien übernahmen zum Teil später diesen Schwachsinn, insbesondere bei der Verabschiedung angeblich verdienter Politiker der SPD. Ex-Bundeskanzler Schröder hält dabei den internen „Parteien-Weltrekord“ Deutschlands mit 12 Minuten - angeheizt damals durch ca. 80 Jusos mit Stoppuhren und gebrüllten Durchhalteparolen. Eine historische Lachnummer, von der es sogar Filmbilder gibt.
 
Ich frage mich, ob dieser Huldigungsritus zu einem typisch deutschen geworden ist. Wilhelm II., Ebert und Hindenburg jedenfalls hatten sich so noch nicht feiern lassen. Die depperten Nachfahren der später marschierenden SA-Horden sind heutzutage, als hätten sie nichts begriffen - und nicht erst seit Heinz Schenk und Reno Nonsens - in scheinfröhlichen Unterhaltungssendungen wie Hitparaden der Volksmusik, Musikantenstadeln, Blauen Böcken & Co.,  regelmäßig zu besichtigen. Fröhliches Marschieren im Klatschrhythmus der Öffentlich Rechtlichen, so wie es einst die Braunhemden taten. Wird da eigentlich außer mir sonst niemandem schlecht?
Oder ist es dort das Wolfgang-Petry-Syndrom, bei bestimmten suggestiven Rhythmen, denen selbst kritische Menschen zum Opfer fallen, sofort alles fallen lassen und wie aufgezogene Spielzeug-Äffchen geradezu in einen Klatschrausch zu verfallen?
 
Nun also auch das offensichtlich nur scheinbar gediegene Publikum in Konzert- und Opernhäusern. Bei jedem noch so mittelmäßigen Auftritt irgendwelcher Künstler verfällt die angebliche Intelligenzia (also die, welche sich die teuren Eintrittskarten leisten können) in einen nahezu karnevalistischen Klatschmarsch-Rausch (na klar, auf 1), und nicht wenige meinen, diese entsetzliche Peinlichkeit auch noch dadurch verschlimmern zu müssen, daß sie sich von ihren Sitzen erheben und mit stumpfsinniger „Begeisterung“ im Stehen ihren militärischen Applaus spenden. Das trifft auch und vor allem wirklich gute Interpreten von hohem künstlerischem Rang. Doch ist mittlerweile vielen Künstlern anzusehen, daß sie auf diese Art von Anerkennung gerne verzichten würden. Was ist gegen einen gediegenen, gerne auch einen rauschenden „normalen“ Applaus und anerkennende Bravi einzuwenden? Muß es immer gleich, kollektives „Mega“ sein?  Ich jedenfalls finde dieses peinliche Gehabe, verbunden mit besagten „Standing Ovations“, entsetzlich und höre angewidert zum einen stets auf zu klatschen, verlasse zum anderen peinlich berührt oft sofort die Walstatt. Doch es wird immer schlimmer - völlig unabhängig von Werk und Leistung. Man kann der Sache nicht mehr entgehen.


© 2011 Peter Bilsing
Redaktion: Frank Becker