Der hochgeklappte Mantelkragen

von Hanns Dieter Hüsch

© André Poloczek - Archiv Musenblätter
Der hochgeklappte
Mantelkragen


Ich muß Ihnen mal was gestehen. Vielmehr, ich muß nicht. Aber ich möchte das mal gerne. Und zwar: Ich habe eine Angewohnheit, die Sie vielleicht auch haben. Meine Frau versucht immer, mir die abzugewöhnen, wenn wir nach draußen gehen. Also, wenn wir nach draußen gehen, dann schlage ich gern den Kragen hoch - bei meinem Mantel, nicht bei meiner Jacke. Ich weiß auch nicht warum! Aber ich mache das schon automatisch. Und meine Frau sagt dann immer, ob der Kragen unbedingt hochgestellt werden müsse. Ich sage: „Nicht unbedingt, aber ich habe das gern.“ So vom Mantel oder auch vom Blouson. Auch wenn schönes Wetter ist. Wenn der Kragen so hochgestellt ist, sieht das irgendwie herber aus, obwohl ich nun wirklich kein Ausbund von herber Männlichkeit bin. Aber deswegen vielleicht! Ich bin doch mehr ein Sammelbecken aller kindlichen Torheiten, die in einem Manne versteckt sind, die in einem ausgewachsenen Komiker vorkommen können. Ich laufe auch ungern nur so in Hemd und Hose rum, Da fühle ich mich immer so unangezogen. Meistens ziehe ich über das Hemd noch einen Pullover mit V-Ausschnitt. Auch wenn die Sonne mir unbestechlich im Nacken sitzt. Ich gehöre zu den Männern, wo die Frauen immer sagen: „Was willst du denn im Winter anziehen?“ Worauf ich sage. „Da sage ich ab!“ Und wenn ich dann mitten im Sommer auch noch den Kragen hochschlage, gerät meine Frau völlig aus dem Häuschen. Ich finde das einfach schön. So schön locker! Ich würde als Schneider... Also, wenn ich Schneider wäre, würde ich überhaupt nur so Mäntel mit hochgestelltem Kragen machen, die man gar nicht erst runterklappen könnte. Das fände ich wahnsinnig romantisch. So einen Mantel könnte ich mir natürlich nur heimlich kaufen und heimlich tragen, sonst würde meine Frau sofort zum Anwalt gehen. Aber ich mache das ja nicht. Wenn wir im Aufzug fahren, klappt sie mir immer ganz ordentlich den Kragen runter. Das ist das Castrop-Rauxel-Syndrom! Ich sage dann aber nix. Ich bin ja nun mal kein Detektiv! Höchstens als Schauspieler! Und Schauspieler schlagen immer gern sämtliche Kragen hoch. Scharnhorst und Gneisenau übrigens auch. Aber das waren noch andere Zeiten. Und die waren auch keine wirklichen Entertainer. Bei denen ging es nun wirklich um Kopf und Kragen. Damit will ich nix zu tun haben, sondern ich meine das mehr so vom Ästhetischen aus. Obwohl ich mich jetzt schon immer häufiger dabei ertappe, daß. ich den Kragen von selbst wieder runterklappe, bevor es meine Frau tut. Freiheit ist ja - glaube ich - die Einsicht in die Notwendigkeiten. Und den Kragen hochzuklappen, ist ja nicht notwendig. Aber runterzuklappen auch nicht. Also ist es eigentlich wurscht! Aber was für mich wurscht ist, ist für meine Frau noch lange nicht wurscht - höchstens wurscht wider wurscht!



© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Es kommt immer was dazwischen" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung