Hof
Ich komma saufen
von Holger Schober
Regie: Claudia-Maria Wagner - Darsteller: Florian Bänsch - Fotos: SFF Fotodesign Hof
Da muß er nun in die Schulklassen gehen und seine Lebensgeschichte breittreten. H., der eine veritable Säuferkarriere hinter sich hat und als einziger von seinen Freunden überlebte. Und nur weil der blöde Bulle sich gebückt hat, als er die leere Flasche in Gebüsch warf, steht er nun hier. Er, H., der sich und alles im Griff hat, dessen Philosophie „wer sich nicht beherrscht, darf nicht saufen“ lautet, muß wegen so einer Kleinigkeit 50mal durch die Klassenzimmer tingeln und den Schülern seine Lebensgeschichte auftischen. Natürlich, sein Vater hat seine Mutter mit einem Gürtel totgeprügelt.
Claudia-Maria Wagner, Theaterpädagogin und Leiterin des Hofer Jugendtheaters, erarbeitete zusammen mit Florian Bänsch, sonst der Sonnyboy in den Operetten und Musicals des Hauses, dieses Ein-Personen-Drama. In knapp einer Stunde durchläuft Bänsch die verschiedenen Phasen von H.s Leben, von überheblicher Arroganz über stille Verzweiflung und Lebensangst, bis hin zum fast ekelerregenden Selbstmitleid. Holger Schober gibt in seinem Stück aber keine Lösungen, nein, noch nicht einmal Lösungsvorschläge, er schildert nur mit fast chirurgischer Präzision den Werdegang eines jugendlichen Quartalsäufers, der sich zum komatösen Dauerbrenner steigert, bis ihm das Leben total entgleitet. Der Verlust der Freunde, die Lebensumstände, die dazu führten, werden von H. nicht mehr wahrgenommen. Sein Leben dreht sich um einen Fixstern, und das ist die nächste Dröhnung. Bänsch gibt diesem „Problemkind“ Leben, macht aus der Kunstfigur H. ein beeindruckend glaubwürdiges Wesen. Er spielt mit seinem Publikum, treibt es wie eine Viehherde vor sich her, bringt es genau zu dem Punkt, an dem das bloße Zuschauen schon fast unerträglich wird. Und wenn der Zuschauer Stellung genommen hat, zeigt er eine neue Facette auf. Dann verlangt er auf einmal Verständnis für seine Situation, dann möchte er bedauert werden, dann wird er zum Hilfsbedürftigen,
Am Ende, nach seinem Gesprächen bei den AA, nach langer Betreuung, und nachdem er zum ersten Mal seine Bewährungsauflagen erfüllte, in den Schulklassen seine Geschichte zu erzählen, ist H. wieder ein toller Mann, er wird bewundert angestarrt, ja, er hat sich wieder im Griff. Da kann ein kleiner Wodka aus der Kioskkollektion doch nicht schaden, oder?
Anmerkung: Die nächste Vorstellung im Theater Hof, Foyer findet am 23.5.2011 statt, die Vorstellung kann als mobile Produktion auch von Schulen, Vereinen und Betrieben gebucht werden.
Redaktion: Frank Becker
|