Vier Schauspieler retten ein schwaches Stück

Maik Priebe inszeniert in Nürnberg "Pride" von Alexi Kaye Campbell

von Alexander Hauer
Pride (DSE)

Alexi Kaye Campbell
Deutsch von Max Faber


Inszenierung: Maik Priebe – Bühne: Susanne Maier-Staufen - Kostüme: Mareike Porschka
Besetzung: Stefan Willi Wang (Oliver) - Marco Steeger (Philip) - Tanja Kübler (Sylvia) – Stefan Lorch (Mann/ Arzt/ Peter)
 

 
„Pride“, das heißt Stolz, ist aber auch die Bezeichnung für das, was in diesem unserem Lande so gerne als „Christopher Street Day“ daherkommt und leider von einer politischen Demonstration zu einem intersexuellen Sommerkarneval verkommen ist, der landauf, landab unreflektiert zelebriert wird.
1958, in der ersten Zeitebene des Stückes gab es noch keinen „Pride“, wenn zwei Männer sich liebten. Oliver ist Kinder-und Reisebuchautor. Seine Graphikerin Sylvia stellt ihm ihren Mann vor, und die beiden Männer verfallen einander. Philip versucht zwar diese Liebe zu leugnen, aber als Sylvia bei ihrer Mutter weilt, ergeben sich beide ihrer Versuchung. Philip versucht den Standard von 1958 aufrecht zu erhalten, indem er zunächst Oliver verleugnet, abwertet und versucht ihn aus seinem Leben zu drängen. Seine Frau Sylvia weiß besser als er um sein Schwulsein, gibt den Weg für die Liebe ihres Mannes, den sie nur glücklich sehen will, frei. Philip versucht sich von dieser „Krankheit“ heilen zu lassen indem er sich bei einem Arzt mit aus heutiger Sicht archaischen, aber auf Wunsch immer noch praktizierten Methoden „heilen“ läßt.
2008, wieder ein Philip und ein Oliver. Oliver hat Philip, den hippen Lifestyle-Journalisten verlassen, zum dritten Mal. Er kommt in die Wohnung zurück, um einen Koffer zu holen und erwischt seinen (Ex)Mann in prekärer Situation mit einem Sadoescort. Man trennt sich, aber das Schwulenmuttchen Sylvia bringt die beiden wieder zusammen, auch um etwas Zeit für sich selbst zu haben. Das Spiel beginnt von vorn.

Maik Priebe inszeniert diese beiden ineinander gewobenen Zeitebenen, indem er jedes Klischee bedient, das auch nur ansatzweise angesprochen wird. Er verläßt sich dabei auf vier überdurchschnittlich gut agierende Schauspieler, die das mehr als glaubwürdig interpretieren. Auf quasi leerer Bühne, eine lange Sitzbank, ein dreifaches Gitter im Hintergrund - auch der naivste Zuschauer soll merken, daß die handelnden Personen nicht aus ihrer Gefangenschaft entfliehen können - konzentriert er sich nur auf das gesprochene Wort. Steffen Lorch, der sowohl den Stricher, einen nach außen hin toleranten Verleger und den Seelenklempner der späten 50er gibt, ist mit diesen Minirollen unterfordert. Aber mit richtigem Timing, Gesichtsausdruck und Tonfall macht er seine kleinen Szenen zu amüsanten „Einaktern“. Tanja Kübler spielt beide Sylvias, die weise, aber sanft verhuschte Ehefrau der 50er genauso überzeugend wie das resolute Gaygroupie des neuen Jahrtausends. Marco Steeger spielt die beiden Philips, betont die Vorurteile vermeidend, aber dann doch in jede Klischeefalle hineintappend überzeugend, seinem Partner Oliver (Stefan Willi Wang)

 Wang, Steeger ( v.l.) - Foto © Marion Bührle
obliegt aber die Hauptlast des Stückes. Souverän in der Darstellung der beiden Olivers, sowohl das Selbstbewußtsein des Schwulen in den 50ern, die aufgesetzte Lässigkeit in den 2000ern, als auch die Ängste und Nöte, die Furcht vor dem Verlassenwerden, die Angst alleine zu sein. Kombiniert mit dem richtigen Sprachduktus macht es ihn zusammen mit Tanja Kübler zu den Hauptträgern des Abends.

Maik Priebe bedient aber auch die Erwartungen seines Publikums, das schon mit dem Wunsch der Betroffenheit ins Theater geht. Die Spießigkeit der alten Zeit, der daraus folgende, nahezu unerträglich realistisch dargestellte Geschlechtsverkehr, die kühle Distanz der Psychiater der Zeit, werden genauso bedient wie die vulgär-flapsige Sprache der heutigen Zeit.
Vier grandiose Schauspieler retten ein eher schwaches Stück, das Vorurteile zwar beseitigen möchte, sie aber eher noch verstärkt. Trotzdem, ein mehr als sehenswerter Abend.
 
Weitere Informationen unter: www.staatstheater-nuernberg.de 
 
Redaktion: Frank Becker