Das Rätsel eines Tages und andere surreale Geschichten

Gelesen

von Jürgen Kasten
Surreale Geschichten
 
„Der Surrealismus...ist ein Mittel zur totalen Befreiung des Geistes“, sagte André Breton in den Zwanzigern des letzten Jahrhunderts. Er gilt als Kopf der Surrealisten. Nicht so ganz Bewanderte denken vielleicht zunächst einmal an Salvador Dali (siehe Umschlag-Illustration) und natürlich an den Literaten Franz Kafka. Er ist auch gleich zweimal in diesem fulminanten Büchlein vertreten. Zum Beispiel mit der traurig komischen Erzählung über einen einsamen, älteren Junggesellen namens Blumfeld. So gerne hätte er einen kleinen Hund, findet aber tausend Gründe, die dagegen sprechen. Das macht Blumfeld nicht glücklicher. Auch nicht, daß ihn eines Tages statt eines Hundes zwei lustig herum hüpfende Bälle in seiner Wohnung empfangen. Wie soll er sie nur wieder loswerden, um die alte Ordnung herzustellen?
 
Geschichten zwischen Traum und Wirklichkeit. Fünf exzellente Autoren der Gegenwart konnten gewonnen werden, an Kafka angelehnt eigene Geschichten zu kreieren und damit ihre Fantasien in Worte zu fassen. Es sind Auftragsarbeiten aus Anlaß der Ausstellung „Surreale Dinge – Skulpturen und Objekte von Man Ray bis Dali“, die derzeit noch bis zum 29. Mai in der Schirn Kunsthalle Frankfurt zu besichtigen ist.
So führt uns Paul Brodowky in ein Treppenhaus kafkaesker Art. Michel Mettler stellt Hermann Mehrstædts Gleichheit der Dinge wieder her. Sybille Lewitscharoff läßt koagulierte Rubine aus Blut gerinnen. Tanja Dückers läßt ihren Protagonisten Paul im Museum „Das Rätsel eines Tages“ ergründen. Er verliert sich in seinen Betrachtungen, tritt in die Gemälde ein. Thommie Bayer schickt seinen Icherzähler aus einem bayrischen Kaff als Tramper nach Berlin. Dort findet die wahre Kunst statt. Sein Kumpel und Dealer Blah hat ihn eingeladen. Der versteht sich als Künstler, ist aber nur ein Spinner. Blah heißt eigentlich Detlev, doch „Alles ist besser als Detlev“ meint der Erzähler. Beide ziehen um die Häuser, um mal das richtige Leben kennen zu lernen. Am Ende ist der Erzähler froh, im Zug zu sitzen und in seine „unechte Welt“ zurückzufahren.
 
Komplettiert wird das Buch mit einem Romanauszug von Joachim Zelter: Ein Erzähler fährt zu Professor Spivack in Amerika, um „Modlaw“ „Die schwierigste Sprache der Welt“ zu erlernen. Unmenschliche Anstrengungen, zungenbrechende Akrobatik und entwürdigende Begleitumstände führten doch nicht zum Erfolg. „Warum macht ihr all den Irrsinn mit, um eine Sprache zu lernen, die es gar nicht gibt?“, fragt der Professor am Ende seine Schüler. Eine wahrhaft irrsinnige Geschichte, ein Kapitel aus „Briefe aus Amerika“ von 1998.
Ein Büchlein voller komisch absurder Geschichten aus dem Alltagsleben, und doch ist alles, wie es nicht sein sollte – Surrealismus eben. Wärmsten empfohlen für alle, die mit ihren eigenen Träumen nichts anfangen können.

Beispielbild

Das Rätsel eines Tages
und andere surreale Geschichten

Redaktion und Vorwort von Karin Osbahr

©2011 Hatje Cantz Verlag, Ostfildern, Autorinnen und Autoren
aus der Reihe Kunst zum Lesen

Broschur, 128 Seiten, 7 Abbildungen
ISBN: 978-3-7757-2801-0
€ 9,80 (D), sFr 15,90 (CH)