Iwan Aiwasowski

Maler des Meeres

von Frank Becker

Iwan Aiwasowski, A. Tyranow fec.
Des Meeres Stille und Gewalt
 
Iwan Aiwasowski und seine Seestücke
 
Iwan Konstantinowitsch Aiwasowskis (1817-1900) Bilder gehörten bereits zu seinen Lebzeiten während des „Goldenen Zeitalters“ der russischen Kunst zum Begehrtesten auf dem weiten Feld der russischen und europäischen Marinemalerei, und noch heute zählt er mit Ilja Repin, Isaak Lewitan, Iwan Schischkin und Wassili Surikowzur mehr denn je zur Creme der gefragten russischen Genremaler. Die Faszination des Meeres, die jeden erfaßt, der seiner Weite gegenübersteht, sei es am Ufer oder an Bord eines Schiffes, ist besitzergreifend. Das ist wohl auch Aiwasowski so gegangen, der geboren in der Hafenstadt Feodossija auf der Krim dem Meer von Anfang an verbunden war. Wegen seines großen, früh erkannten Talents von Honoratioren der Stadt, später seinen Lehrern an der Akademie entscheidend gefördert, ist er von Anbeginn seiner Laufbahn als Maler mit dem Meer die engste Verbindung eingegangen. Der akademischen Ausbildung und ausgedehnten Reisen folgten Preise und Ehrungen bis zur Professur und der Ernennung zum Maler des Marinestabes.

 
 Iwan Konstantinowitsch Aiwasowski, Im Golf von Neapel, 1842
 

Die Essenz eines Malerlebens

Den Facettenreichtum seiner auf vielen großen Reisen angestellten Natur- und Marine-Beobachtungen versucht derzeit eine Ausstellung zu umreißen, die seit dem 17. März und noch bis zum 10. Juli 2011 unter dem Titel „Aiwasowski – Maler des Meeres“ im Bank Austria Kunstforum Wien zentrale Werke des Russen zeigt. Er hat ganz Russland, Frankreich und Holland, Finnland und die Türkei, Italien, Ägypten, Deutschland, Österreich, Spanien und Portugal bereist und wurde weltweit ausgestellt. Aiwasowski hat Zeit seines erfüllten Lebens laut Auskunft des hier vorgestellten Katalog-Buches zur Ausstellung 6.000 Gemälde geschaffen – er selbst sprach von 4.000, die meisten davon zu seinem Lebensthema: dem Meer. 51 Bilder, darunter einige seiner bekanntesten Werke, quasi die Essenz eines Malerlebens, konnte Kuratorin Lisa Kreil aus internationalen, vor allem russischen Sammlungen zusammentragen, dazu gehören die Moskauer Trejakow-Galerie, die Aiwasowski-Galerie in Feodossija, verschiedene Petersburger Museen, das Museum für russische Kunst in Kiew und private Leihgeber.

 
 Iwan Konstantinowitsch Aiwasowski, Die neunte Woge, 1850
 
Vorbildlicher Katalog

Der Hatje Cantz Verlag hat den vorbildlichen Katalog zur Ausstellung gestaltet, für den Ingried Brugger und und Lisa Kreil als Herausgeberinnen zeichnen. Beiträge von Hartmut Böhme (Tradition und Formen der aquatischen Ästhetik in der Kunst Iwan Aiwasowskis), Lisa Kreil (Schiffbruch erleiden), Iwan Samarine (Die Welt im Licht einer Laterna magica des Ostens), Florian Steiniger (Gefährliche Brandung und stille See(le)) sowie ein biographischer Abriß von Tetiana Gaiduk (Aiwasowski – Künstler, Reisender, Menschenfreund) bringen dem Leser die Geschichte und Hintergründe des Genres und das Werk Iwan Aiwasowskis nahe. Die Lektüre der Aufsätze sollte dem sicher auch ohne Begleittexte zugänglichen Œuvre Aiwasowskis dennoch vorangestellt werden, finden wir doch dort in die Tiefe gehende Bezüge zur europäischen Malerei und Literatur im Kontext zu Aiwasowskis Werk.


Iwan Aiwasowski, Die Schlacht bei Sinope (Tag) 1853
 
Mitten drin

Aiwasowskis Bilder sind unmittelbar. Der Betrachter ist vom ersten Blick an „mitten drin“, um es salopp auszudrücken. Gleich ob es die Küsten-Idylle und die friedliche Stimmung im Hafen im sanften Licht des Sonnenuntergangs sind (Golf von Neapel 1842, Blick von der Newa auf Petersburg 1847, Meeresküste 1851, Konstantinopel 1856), die Dramatik heftig bewegter See im Sturm (Chaos 1841, Zwischen den Wellen 1889, Das Schiff Maria im Sturm 1892), Schlachtengemälde eines Seegefechtes - er war beim Krimkrieg dabei - (Schlacht von Cesme 1848, Die Schlacht bei Sinope 1843) oder der Alptraum des Seemannes, der Schiffbruch (Die neunte Woge 1850, Nordseesturm 1865, Schiffbruch am Berg Athos 1856) – mit Iwan Aiwasowski als Chronist, Maler des dramatischen Moments, Mittler zwischen Mensch und Meer verliert man sich augenblicklich in der gezeigten Situation, nimmt teil, fühlt sich betroffen. Das ist es, was seine Bilder vor anderen auszeichnet, das macht ihren besonderen Reiz aus. Die Urgewalten, die er später zunehmend malte, während er anfangs eher ruhige Sujets bevorzugt hat, lagen Iwan Aiwasowski, in ihnen konnte er im Bild festhalten, was der Mensch nicht zu beherrschen im Stande ist. Obwohl er nicht in der Antarktis war, gehört sein zum 50. Jahrestag der Entdeckung des 6. Erdteils gemaltes Bild „Eisberge in der Antarktis“ (1870) zu den eindrucksvollsten. Auch dieses Bild ist in der Wiener Ausstellung zu sehen.

 
  Iwan Aiwasowski,Eisberge in der Antarktis 1870
 
Der Katalog:
Aiwasowski – Maler des Meeres, Hrsg. Ingried Brugger und Lisa Kreil
© 2011 Hatje Cantz, 168 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 95 farbige Abb., 24,50 x 30,50 cm,  € 39,80 | CHF 56,90 - ISBN 978-3-7757-2781-5

Iwan Aiwasowski, Die Brigg Merkur 1848
 
Weitere Informationen unter: www.bankaustria-kunstforum.at  und www.hatjecantz.de