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Die Kolumne am Mittwoch

von Friederike Zelesko

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Die Kolumne am Mittwoch
von  Friederike Zelesko



Donner ist
gut und eindrucksvoll,
aber die Arbeit leistet der Blitz.
(Mark Twain)
 
 
Es blüht schon Jasmin. Der weiße Rock der Büsche wippt bei jedem Windstoß. Ich beobachte, wie der Mann den Arm um das Mädchen legt. Ich sitze auf der Wiese. Unter meinen Händen knistert das Heu.
            Der Nachrichtensprecher sagte am Morgen Gewitter voraus. Aus dem Lautsprecher des wolkenlosen Himmels tönt bis jetzt nur das Lied der Vögel. Der Mann und das Mädchen sitzen nicht weit von mir. Sie halten wie ich das Gesicht in die Sonne. Sie ruhen sich aus vom Spiel der Nähe.
            Das Spiel der Blüte ruht nicht. Es schlägt seine Farbbälle von Busch zu Busch - gelb, rosa, violett. Ich lehne mich zurück in die Polster der Gerüche. Prall gefüllt mit der  Tageswärme stützen sie mein Rückgrat. Und schon greift ein Windstoß wild nach den Büschen.
            Die erste Mahd ist empfindlich, sagte der Vater und beobachtete jede Wolke am Himmel. Das ist lange her. Ich höre seine Stimme: Holt das Heu ein, ein Gewitter kommt! Der Donner macht mir nichts aus. Er wartet, grollt los und verhallt dann langsam. Doch den Blitz sehe ich noch hinter den geschlossenen Augen. Bei Nacht beleuchtet er für Sekunden meinen Schlaf, reißt mich mit Herzklopfen aus der beschützenden Dunkelheit. Auch jetzt klopft mein Herz, als der Mann sich an das Mädchen drängt.
            Hinter den Lidern blitzt das Licht. Ich öffne die Augen und sehe die erste Wolke am Himmel, schiebe sie mit einem Blick weg. Das geht leicht mit einer Gefahr, die schon so oft stattgefunden hat.
            Der Tag ist trügerisch. Es genügt mir jedoch, daß ich auf dieser Wiese eine vorübergehende Sitzgelegenheit habe für eine augenblickliche Erregung. Das Motorengeräusch der nahen Autostraße landet auf mir wie auf einem Flugplatz. Fabrikschlote und Häuser mit roten Dächern und Schornsteinen weiter drüben sind die  Lotsen, schwingen die Fahnen der Sicherheit. Der Supermarkt daneben quillt über mit den täglichen Notwendigkeiten meines leiblichen Wohls. Die Wiederholung der Geschehnisse sagt der Radiosprecher voraus.



© Friederike Zelesko - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2011