Authentizität und Akzeptanz

Stéphane Hessel - "Empört Euch!"

von Johannes Vesper
„Empört Euch“
Widerstand fordert Stéphane Hessel
 
Ob die drängenden Weltprobleme heute tatsächlich aus dem Geist der französischen Resistance gelöst werden können, ist zweifelhaft. Aber die Resonanz der kleinen Streitschrift des alten, genauer: jetzt 93-jährigen ehemaligen Resistance-Kämpfers Stéphane Hessel in Frankreich und Deutschland ist gewaltig. Das schmale Heftchen (32 Seiten im DIN A6-Format) nähert sich im Nachbarland einer Millionen-Auflage und liegt jetzt auch auf Deutsch vor. Illegale Zuwanderung, Abschiebung, gefährdete Altersrenten sind Folgen der durchgehenden Ökonomisierung unserer „Gesellschaft des Geldes“. „Gewinnmaximierer“ kümmert das Gemeinwohl nicht. Natürlich ist dadurch die Pressefreiheit in Gefahr. Auch Frieden und Demokratie sei gefährdet durch die Diktatur der internationalen Finanzmärkte. Tatsächlich fürchten wir in Europa um unseren Lebensstandard und den Euro, wenn durch riskante Finanztransaktionen Staaten in die Pleite getrieben werden können. Die Lehre aus den Zeilen des alten Mannes, sein Aufruf: Empört euch, engagiert Euch. Nur wir selbst (Hinweis auf Sartre) sind für diese Welt verantwortlich. Jeder von uns.
 
„Das Schlimmste ist die Gleichgültigkeit“. Fortschritt führe nicht automatisch zu Freiheit und idealen Lebensbedingungen, wie Hegel meinte. Im Gegenteil: Walter Benjamin wird zitiert, der den Fortschritt, das „immer noch mehr“ als die Katastrophe empfand. „Empört Euch“ schreibt Stéphane Hessel, der uns an Lebenserfahrung viel voraus hat. Mit seinen Eltern siedelt der am 20. Oktober 1917 in Berlin geborene Hessel als Kind nach Paris um. Der 2. Weltkrieg beendet seine Karriere zunächst. Er wird zum Militär eingezogen, findet aber schon 1941 zur Resistance und zu de Gaulle. 1944 wird er von der Gestapo aufgegriffen und nach Folter in das KZ Buchenwald transportiert. Er überlebt, da es ihm gelingt, die Identität mit einem im Lager an Typhus Verstorbenen zu wechseln. Nach Zwangsarbeit in den Lagern Rottleberode und Dora gelingt schließlich die Flucht zu seiner Frau und Kindern nach Paris. Nach dem Krieg arbeitet er für den diplomatischen Dienst Frankreichs in verschiedenen Positionen, u.a. in New York bei der UNO, setzt sich für die Unabhängigkeit Algeriens ein, ist als Botschafter Frankreis bei den Vereinten Nationen in Genf und bereist mit seinem Diplomatenpaß noch 2008-2009 Palästina und den Gazastreifen. Natürlich empört er sich - selbst jüdischer Herkunft - über die Lebensumstände der Palästinenser und über die Kriegsverbrechen der Israelis.
 
Wahrscheinlich ist die anrührende Geschichte seines Lebens der Grund für die Authentizität und Akzeptanz seiner Zeilen. „Empört euch“ rät er uns allen und fügt hinzu, „Gewalt wirkt nicht. Wir müssen Gewaltlosigkeit lernen“. Terrorismus hat keinen Sinn. Gegenseitiges Verständnis, wachsame Geduld, militante Achtung der Menschenrechte und Empörung lassen ihn für die Zukunft. hoffen. Dem Aufruf Stéphane Hessels wünschen wir von Herzen jeden Erfolg! 

Redaktion: Frank Becker

Beispielbild


Stéphane Hessel 
„Empört Euch!“ (Indignez Vous!)

© 2011 Ullstein Verlag, 32 Seiten, 3,99 €

Weitere Informationen unter:
www.ullsteinbuchverlage.de