Zärtliche Berliner Reminiszenzen

Ekkehard Wölk Trio - "The Berlin Album"

von Frank Becker
Ich hab (auch) noch einen Koffer in Berlin

Wem bei Ekkehard Wölks neuem, dem "Berlin Album" nicht das Herz aufgeht, hat keines. Sechs neue Stücke *) hat der brillante Pianist und Komponist für seine zärtlichen Berliner Reminiszenzen in die delikaten Arrangements von acht weiteren Kompositionen von u.a. Hanns Eisler, Friedrich Hollaender, Felix Mendelssohn-Bartholdy und Ralf Maria Siegel eingeflochten, die er kongenial in bewährter Qualität und wie stets erfrischend spritzig und seelenvoll behandelt hat.

In einer früheren CD-Besprechung habe ich Ekkehard Wölk mit dem Genie Jacques Loussier in einem Atemzug genannt und ihm eine äußerst rare Feinfühligkeit bescheinigt. Genau die zeigt er mit seinen bewährten Trio-Partnern Johannes Fink am Kontrabaß und Andrea Marcelli am Schlagzeug bei seinem jüngsten Projekt "The Berlin Album" erneut. Das swingt und träumt beim Umgang mit Standards aus Klassik, Heimat-Schlager und sogar  Polit-Parolen kommunistischer Prägung aus der Feder Hanns Eislers. Den ganzen Zauber Berlins aber finden wir in Ekkehard Wölks eigenen Stücken, die in den Tiergarten führen, mit schönen Zitaten über den belebten Schöneberger Winterfeldtplatz, an den  idyllischen Schlachtensee im Südwesten und mit der S-Bahn quer durch die quirlige Stadt - Stimmungen, die Wölk auch über die Fotos im Beiheft vermittelt, ein schon bewährtes Instrument seiner Alben und Beleg dafür, daß er nicht nur als Musiker Außergewöhnliches leistet.

Besonders gespannt ist man natürlich auf Adaptionen von aus ganz anderem Zusammenhang geläufigen Titeln, nehmen wir nur das Einheitsfrontlied von Hanns Eisler. Das gestalten "Wölk und Genossen" weit ab vom Klassenkampf-Ruf Brecht/Eislers und der markigen Stimme Ernst Buschs zu einer wundervollen Ballade mit Tiefgang, zu einem fesselnden Stück zeitgenössischer Moderne. Das Wunderbare án dem Album ist, daß durch den Übergang zum folgenden "Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre" von Friedrich Hollaender und der Rückkehr zu Eislers "Spartakus" und seinem fast übermütigen "Berlin im Licht" nicht der geringste Bruch entsteht. Die abschließende Titel-Kombination "Uncertain Future" (Wölk) und "Ich hab noch einen Koffer in Berlin" (Siegel) erscheint wie ein kleines Augenzwinkern - denn welcher "richtije" Berliner würde an der (seiner) Zukunft zweifeln? Ekkehard Wölk jedenfalls gibt dem Schlager, der durch Bully Buhlan und Hildegard Knef seine Weihen erhalten hat, solo am Piano den letzten Schliff. Eine durch und durch gelungene Interpretation. Und wieder mal ein Album, daß unsere höchste Anerkennung bekommt: den Musenkuß.

Beispielbild
Cover-Design: Klaus Untiet

Ekkehard Wölk Trio
The Berlin Album

Ekkehard Wölk  -  Klavier
Johannes Fink  -  Kontrabaß
Andrea Marcelli  -  Schlagzeug (cl, 6)

Produziert von Ulli Blobel und Ekkehard Wölk

(P) + © 2011 jazzwerkstatt

Titel:
1. Morning Choral  5:58 *)
2. A Walk In The Tiergarten  4:50
*)
3. Trauermarsch  4:11
4.
Winterfeldtplatz  2:16  *)
5. Casual Meetings  3:15
*)
6. At The Schlachtensee  4:51 *)
7. S-Bahn  4:56 *)
8. Gruß  5:02
9. Das Einheitsfrontlied  6:07
10. Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre  3:55
11. Spartakus 1919  6:08
12. Berlin im Licht  4:06
13. Uncertain Future  3:33
14. Ich hab noch einen Koffer in Berlin  5:32

Gesamtzeit:  1:05:15

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