Horst Hahn - Reisefotografien

Bilder des fotografierenden Globetrotters in der Villa Zanders, Bergisch Gladbach

von Rainer K. Wick
Reisefotografien von Horst Hahn
in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach
 
Daß Köln seit Jahrzehnten über eine ungewöhnlich vitale Kunst- und Galerieszene verfügt, ist allgemein bekannt. Doch auch in dem unmittelbar östlich an die rheinische Metropole angrenzenden Bergisch Gladbach, übrigens eine der kleinsten Großstädte des Landes NRW, regt sich die Kultur – insbesondere in Gestalt der Ausstellungsaktivitäten der am zentralen Konrad-Adenauer-Platz gelegenen Städtischen Galerie Villa Zanders. In den gediegenen Räumen des ehemaligen privaten Wohnhauses der Fabrikantenfamilie Zanders, einem historistischen Bau aus der Gründerzeit, der seit 1986 als Ausstellungshaus genutzt wird, zeigt nun der Kölner Fotokünstler Horst Hahn in einer repräsentativen Schau einen Teil seiner Fotografien, die er über Jahrzehnte auf ausgedehnten Reisen aufgenommen hat.
 
Fotografierender Globetrotter
 
Schon früh war er in fernen Ländern unterwegs, lange bevor er es sich leisten konnte, einfach einen

Targi, Algerien  - Foto © Horst Hahn
Jet zu besteigen und in einigen Stunden am Ziel anzukommen. Ein erster Meilenstein in seiner Biographie als Globetrotter war eine Reise mit dem Fahrrad durch das nun von schweren Unruhen erschütterte Nordafrika von Tunesien nach Ägypten im Jahr 1958, zu einer Zeit also, als sich die Deutschen zwar anschickten, Italien unsicher zu machen, man aber lieber Heinz Helfgens Bestseller „Ich radle um die Welt“ (erste Auflage 1954) las, anstatt sich selbst aufs Rad zu setzen und in der unbekannten Ferne das Abenteuer zu suchen. Immer hat Hahn auf seinen Reisen fotografiert, am Anfang eher dokumentarisch, später zunehmend konzeptionell.
Dies belegt die Bergisch Gladbacher Werkschau in aller Deutlichkeit. Gezeigt werden acht ganz unterschiedliche Werkgruppen aus den letzten zwanzig Jahren, die in sich jeweils abgeschlossene Einheiten bilden, teilweise aber auch gemeinsame Schnittmengen aufweisen.
 
Bilder vom „schwarzen Kontinent“
 
Die Fotografien aus Afrika – es handelt sich um Bilder aus einigen Ländern der Sahél-Zone, aus Äthiopien, aus dem Benin und aus Togo – faszinieren sowohl wegen ihrer exotischen Sujets als auch wegen ihrer ethnographischen Aspekte. Gleichwohl ist Hahn ist bei allem Interesse an diesen afrikanischen Kulturen kein Ethnologe oder Anthropologe, sondern primär ein Augenmensch, d.h., als Fotograf ist er eher Künstler als Feldforscher. Obwohl er spektakuläre Visualisierungen, wie sie das „Neue Sehen“ der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts bevorzugte, eher vermeidet, sind diese Bilder doch mehr als nur neutrale Sachaufnahmen bzw. Objektfotografien. Vielmehr zeugen sie von einem ausgeprägten künstlerischen Sehen, etwa was die Verteilung von Licht und Schatten, das Herausarbeiten von Fakturen, die Betonung der Volumina oder die Festlegung des Bildausschnitts anbelangt. Neben der Vermittlung visueller Informationen aus einem fremden Land geht es Hahn immer auch um das gestaltete Bild, das sich – streng komponiert und zuweilen zur abstrakten Struktur reduziert – zuweilen sogar ästhetisch verselbständigen kann.
 
Dokumentieren und Interpretieren
 
Dies gilt auch für seine eindrucksvollen Bilder der Marmorbrüche von Carrara, die keine touristischen „Schnellschüsse“ sind, sondern das Ergebnis eines längeren Prozesses der Annäherung und des Abwägens, des Suchens und Findens, des bewußten Sehens und des behutsamen Deutens des Gesehenen.

 
Carrara, Italien - Foto © Horst Hahn

Ganz untouristisch kommt auch die Serie mit nach mitteleuropäischen Maßstäben extrem desolaten Tankstellen im Jemen daher. Im Unterschied zur sonst von Hahn bevorzugten Schwarzweiß-Fotografie handelt es sich um Farbfotografien, die in ihrer dokumentarischen Neutralität, in ihrer nüchternen Sichtweise an Bilder der Düsseldorfer sog. Becher-Schule erinnern und in jeder Hinsicht die Erwartungshaltung an Bilder aus dem Reich der sagenhaften Königin von Saba unterlaufen.
Während durch den Jemen die sog. Weihrauchstraße führt, liegt das usbekische Chiva an der legendären Seidenstraße, jenem Handelsweg, der seit alters her China und den Mittelmeerraum miteinander verbindet. Angesichts einer Architektur, die, um einen Satz von Paul Klee zu zitieren,  wie ein Extrakt aus Tausendundeiner Nacht anmutet, konzentriert sich Horst Hahn in seinen Usbekistan-Fotos ganz auf die strenge Geometrie der aus hellem Ziegelstein gemauerten Bauten und auf das Spiel von Licht und Schatten.

 
Tankstelle, Jemen - Foto © Horst Hahn

An der Schnittstelle von dokumentarischer Fotografie und einer Fotografie, die durch unerwartete Nahsichten und ungewöhnliche Ausschnitte Alltägliches in eine autonome künstlerische Sphäre transformiert, erscheint die Werkgruppe mit Aufnahmen der Völklinger Hütte, eines stillgelegten Eisenwerks im Saarland, das heute zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Den gigantischen Dimensionen entspricht eine fotografische Herangehensweise, die neben Panoramaansichten das Monumentale und Skulpturale dieser ehemaligen Industrieanlage betont.
Außerordentlich eindringlich sind die Fotos aus Nepal, u.a. jene, die an den Ghats von Pashupatinath aufgenommen wurden. Gelegen am Bagmati, einem Nebenfluß des heiligen Ganges, ist das heute zu Kathmandu gehörende Pashupatinath eine der bedeutendsten Kultstätten des Hinduismus. Wie in Varanasi (früher Benares) in Indien, werden hier die Verstorbenen an den Treppen, die zum Fluß hinabführen (Ghats), traditionell auf Verbrennungsplattformen eingeäschert. Trotz des heiklen

Äthiopien, Eingeborene - Foto © Horst Hahn
Bildthemas einer öffentlichen Totenverbrennung – in Varanasi herrscht an einigen Ghats sogar Fotografierverbot – fühlt man sich angesichts dieser Bilder ebensowenig als Voyeur wie etwa bei den Nahaufnahmen eines in Trance befindlichen Pilgers aus Dakshinkali und einer greisen Bäuerin aus Patan. Immer gelingt es Hahn, seinen „Modellen“ mit Respekt, ja mit Zuneigung und menschlicher Sympathie, zu begegnen, nie haben diese Fotografien etwas Entlarvendes, Decouvrierendes.
 
Humanistische Fotografie
 
Das ist bei der heutigen Flut sog. sensationeller Fotos, die rücksichtslos dem Kult des Exzeptionellen, ja Schockierenden und Bizarren huldigen, keineswegs selbstverständlich. Horst Hahn steht mit seinem fotografischen Werk in einer Traditionslinie, die Dorothea Lange und Daniel Dixon schon 1952 dahingehend charakterisiert haben, daß es darauf ankomme, zu einer „humanen Nutzung“ der Kamera zu finden. Und Edward Steichen hat diesen Aspekt in die Worte gefaßt, die „Aufgabe der Photographen [sei] es, dem Menschen den Menschen zu erklären und ihm zur Selbsterkenntnis zu verhelfen“ – zentrales Anliegen seiner legendären Ausstellung „The Family of Man“, die in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts um die Welt ging. Einer so verstandenen Fotografie ist es um die eine Kernfrage zu tun: Was ist der Mensch und wie kann ihm in seinem Menschsein künstlerisch, und das heißt hier mit fotografischen Mitteln, Rechnung getragen werden? Wer Bilder zu lesen versteht, wird in den klug komponierten und bildnerisch anspruchsvollen Fotografien von Horst Hahn, die die Menschen mit unbedingter Achtung vor ihrer Individualität zeigen, Antworten auf diese Frage finden.
 
Reisebilder – Fotografien von Horst Hahn

Horst Hahn - Foto © Rainer K. Wick
Bis 27.03.2011 - Städtische Galerie Villa Zanders
Konrad-Adenauer-Platz 8 - 51465 Bergisch Gladbach

Zur Ausstellung ist ein kleines Beiheft mit Fotos von Horst Hahn und einem kurzen Text von Rolf Sachsse erschienen.
Parallel zu Horst Hahns Reisebildern zeigt die Städtische Galerie Villa Zanders die sehenswerte Ausstellung „Bildräume“ des konstruktiv arbeitenden Kölner Künstlers Otto Nemitz, ebenfalls bis zum 27.03.2011.

Redaktion: Frank Becker