Bilder aus Alt-Wien

Geschäfte, Läden, Kaffeehäuser - vorgestellt von Carola Leitner und Kurt Hamtil

von Frank Becker

Damit Erinnerung nicht verloren geht


 

         

 

Kurt Hamtil / Carola Leitner
Geschäfte und Altwiener Läden
Wien in alten Fotografien

96 Seiten - 100 s/w-Abbildungen, 16,5 x 24,0 cm
ISBN: 978-3-8000-7502-7
€ 14,95 CHF: 23,50

 
Carola Leitner / Kurt Hamtil
Kaffeehäuser und ihre Besucher
Wien in alten Fotografien

96 Seiten - 100 s/w-Abbildungen, 16,5 x 24,0 cm
ISBN: 978-3-8000-7482-2
€ 14,95 CHF: 23,50

Die guade, oide Zeit...

Die beiden Themenausgaben aus der umfangreichen, mittlerweile 31 Bände umfassenden Wien- Reihe des Ueberreuter Verlages, die wir Ihnen hier vorstellen, öffen eine nostalgische Schublade und träufeln damit jedem Nicht-Wiener Neid ein (Berliner sind natürlich ausgenommen!). Sie befassen sich mit Bilddokumenten aus dem Alltag des Geschäftslebens und aus den berühmten Wiener Kaffeehäusern. Ein (buntes, möchte man trotz der schwarz-weißen Fotografien beinahe sagen) Panorama der ersten sechs Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts fächern diese Bücher auf, die eine Zeit beschwören, in der zwar nicht alles besser war, die aber gerne als die "gute alte" bezeichnet wird.

Vorgestellt werden in "Geschäfte und Altwiener Läden" die kleinen und großen Einkaufstempel der Donaumetropole von einer Epoche, als Ungarn und Böhmen noch bei Österreich waren, bis hin zum auch in Österreich greifenden Wirtschaftswunder der 1950er Jahre. Rare, vorzügliche Schwarz-Weiß-Fotos von Straßenszenen, den Greißlern (kleinen Krämerläden), großen Konsumtempeln wie dem "Gernegross" und dem "Stafa", historisch aussagekräftigen Ladenschildern, klassischen und modenen Architekturen und aufschlußreichen Preistafeln in der Wienerstadt haben die Herausgeber Carola Leitner und Kurt Hamtil aus dem Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek zusammengetragen. Der Leser wird zum Zuseher einer virtuellen Zeitreise, bei der er
1915 auf jüdische Kleiderhändler in der Judengasse  trifft, auf die Filiale des Solinger Klingenherstellers Henckels in der Kärntner Straße in den Zwanzigern, auf einen Fleischhauer mit Straßenverkauf 1957, einen Würstlstand, an dem sich die Piccolos eine benachbarten Hotels stärken, das Angebot eines Elektrogeschäfts in den 50ern und er trifft einen Buben, der sich 1960 im Zuckerlgeschäft  nach einer Tafel Schokolade reckt. Wir erfahren, was anno 1953 Zucker, Tee, Schmalz, Sardinen und Zigaretten kosteten und was der Fleischhauer 1954 im Angebot hatte. Ein interessanter Bilderbogen.

Die Kaffeehäuser Wiens sind Kulturgut, unsterbliche Legende, bis auf den Tag Treffpunkt der Wiener und
erste Adressen für jeden Wien-Besucher. Ihnen haben Carola Leitner und Kurt Hamtil ebenfalls einen Band gewidmet, der Wien atmet. Wie auch nicht, besuchen wir mit Ihnen Institutionen wie das Café Sacher, das Café Schönbrunn, das Café Central, das Café Sperl, die Konditorei Demel und viele andere mehr. Auch hier geht die Zeitreise über mehr als ein halbes Jahrhundert. Erinnerungen an berühmte Kaffeehaus-Literaten wie Peter Altenberg, Egon Friedell, Alfred Polgar, Heimito von Doderer und Karl Kraus werden wach - und zugleich die häßlich Seite der Medaille, an die Zeit, als gleich nach dem "Anschluß" Österreichs ans Deutsche Reich nicht wenige Cafés Juden die Bewirtung verwehrten - namhaft gemacht wird mit einem Foto das Café Mantler - auch das Kaffeehaus Schuh zeigte sich stramm nationalsozialistisch. Ein dunkles Kapitel.
Was sicher aber auch interessant ist, sind die Rollen und Positionen des Ober- oder Zahlkellners, der Sitzkassiererin und des eigentlich unverzichtbaren Piccolo. Die werden in diesem Band ebenso vorgestellt wie die Gäste über die Jahrzehnte und die Innenarchitekturen im Wandel der Zeiten.

So weit, so gut. Kommen wir aber zur Kritik, an der leider nicht gespart werden kann. Was nämlich beiden hier vorgestellten Büchern gänzlich fehlt, sind a. eine logische Anordnung oder Kapitel-Einteilung, b. eine Chronologie und c. ein Namens- oder Straßen-Index. Zudem sind die Bild-Kommentare viel zu oft nur beliebig, austauschbar, einfallslos oder mitunter gar falsch. Da werden am Ende des Kaffeehaus-Bandes z.B. auf S. 95 zwei Fotos mit den Zeilen: "Im Café Weidinger, 1972: Ober mit Tablett" - und "Innenansichten im Kaffeehaus Weidinger : Schachspieler" - gezeigt. Ja ich bitte schön, daß der Ober ein Tablett trägt, hätte wohl jeder Depp selbst gesehen. und die angeblichen Schachspieler halten ganz eindeutig Spielkarten in den Händen. Vielleicht schnapsen oder tarocken sie, aber gewiß spielen sie nicht Schach.
Bei einer Nach-Auflage sollte daran gearbeitet werden, wären doch die Fotos diese Mühe allemal wert.

Weitere Informationen unter: www.ueberreuter.at