Schuster, bleib bei Deinen Leisten!

David Mouchtar-Samorai inszeniert in Nürnberg Saint-Saëns´ „Samson und Dalila“

von Alexander Hauer
Schuster, bleib bei Deinen Leisten!
 
David Mouchtar-Samorai inszeniert Saint-Saëns´ „Samson und Dalila“ in Nürnberg

15.01.2011
 
 
 
Musikalisch war es eine Sternstunde. Bis in die Nebenrollen grandios besetzt, der Chor unter Edgar Hykel wunderbar gestimmt, die Nürnberger Philharmoniker verbreiteten unter Guido Johannes Rumstadt feinsten französischen Wohlklang. Jordanka Milkova ist eine höchst erotische Dalila, Andrea Caré mit seinem Nürnberger Debüt ein aufgehender Stern am Tenorhimmel. Melih Tepretmez schließlich ist ein überzeugender Oberpriester voll baritonalem Wohlklang.
So weit, so sehr, sehr gut.
Das alttestamentarische Spektakel wird von David Mouchtar-Samorai in drei Zeitabschnitten inszeniert. Der erste Akt spielt in Palästina zur Zeit der Gründung Israels. Die vom Schicksal nach Nahost gespülten Juden werden von den einheimischen Palästinensern bedroht, die sonst so hervorragend spielende Statisterie des Staatstheaters fuchtelt belanglos mit ein paar Plastikmaschinengewehren rum. Samson wird abgeführt, gefoltert und  zurückgebracht.

Geschmacklosigkeiten
 
Der zweite Akt spielt im Jahr 2000 in einem Nachtclub in Tel Aviv. Dalila ist dort der Star des Abends,

Andrea Caré (lks.) - Foto © Ludwig Olah
ihr Auftritt kommt nach einer Bauchtanztruppe und der geschmacklosen Show eines Transvestiten in Burka und mit Sprengstoffgürtel, deren „Höhepunkt“ ein Tänzchen mit herausquellenden Därmen ist. Samson, wundersamerweise nicht gealtert, verfällt Dalila. Samson geht in Dalilas Wohnung, in der sich schon palästinensische Freiheitskämpfer unter dem Bett versteckt haben. Er wird überwältigt.
In der Pause bekommt Samson eine Kurzhaarfrisur und wird geblendet. Gefesselt wird er von einem verkrüppelten Clown zur Feier der Palästinenser geführt. Das Bacchanal wird von einem „Stürmerjuden“ in der Rolle des Chaplin-Hitlers und vier Orthodoxen mit Schweinemasken angeführt. Samson erfleht Beistand von seinem Gott, um dem Treiben der Palästinenser ein Ende zu setzen. Der finale Vorhang zeigt eine Atomdetonation.

Unreflektiert
 
Von der originären Handlung Saint-Saëns läßt Mouchtar-Samorai nicht viel übrig. Im Programmheft erklärt er die Oper als Ende der längeren Beziehung von Samson und Dalila. Im Konflikt zwischen Israel und Palästina ist er sehr parteiisch. Und das macht diese Inszenierung gefährlich. Ein unreflektierter, sehr persönlicher Blick auf das politische Geschehen im Gazastreifen eignet sich nicht für eine Operninszenierung. Weder gibt er Erklärungen dafür ab, warum die Palästinenser 1947 gegen die einwandernden Juden aufbegehren, übrigens konträr zur Opernhandlung, noch erörtert er die Beziehung Samson-Dalila.
Das Bühnenbild Heinz Hausers ist eine nichtssagende Stahlgitterkonstruktion, die je nach Bedarf hin und her gerollt wird. Beeindruckend ist allerdings wie Karl-Heinz Kornberger die Bühne ausleuchtet. Die Kostüme Urte Eickers sind der Inszenierung entsprechend stimmig, aber sicherlich nicht schön.
Opern haben ihre eigene Dynamik, und die meisten Werke lassen sich nicht mit den Mitteln eines Schauspiels auf die Bühne bringen. David Mouchtar-Samorai ist ein verdienter Schauspielregisseur, der mir schon viele grandiose Abende bescherte, seine Operninszenierungen in Nürnberg gehören

Jordanka Milkova - Foto © Ludwig Olah
nicht dazu.

Beifall und Buhgewitter

Der Abend endete mit euphorischem Beifall für den jungen Andrea Caré, dessen Namen man sich merken sollte. Mit seiner Samson-Darstellung reiht er sich in die erste Reihe seiner Kollegen ein. Melih Tepretmez überzeugte wie immer, Jordanka Milkova interpretierte die Dalida ohne Fehl und Tadel. Der Applaus galt aber genauso den kleineren Rollen, besonders Daeyoung Kim als alter Hebräer. Die Bravos für Sänger, Chor und Orchester schlugen in ein einhelliges Buhgewitter für das Regieteam um.
Der Bayrische Rundfunk übertrug die Premiere im Radio, bleibt zu hoffen, daß diese überragende musikalische Leistung auf CD gebannt wird. Sänger und Orchester hätten es verdient.
 
 
Weitere Informationen unter: www.staatstheater-nuernberg.de 
 
Redaktion: Frank Becker