Nehmwernocheinen?

Fritz Eckengas „Fremdenverkehr mit Einheimischen“ im Rotationstheater Remscheid

von Frank Becker

Foto © Frank Becker
Nehmwernocheinen?
 
Fritz Eckengas
„Fremdenverkehr mit Einheimischen“
im Rotationstheater Remscheid
 
 
Fritz Eckengas Programm "Fremdenverkehr mit Einheimischen" bescherte am Sonntagabend dem Lenneper Rotatationstheater volles Haus. „Alles gut?“, fragt er scheinheilig – und setzt drauf: „Ich bin gekommen, um das zu ändern.“ Es sollte ihm nicht gelingen – man blieb „gut drauf“. Vielleicht sind es ja die Erfahrungen mit lästigen Nachbarn, Maulwürfen und politischen Verbal-Tätern, die eine Brücke zwischen Publikum und Künstler bauen. Dudelnde Mobiltelefone in der ersten Reihe („Soll ich das Gespräch für Sie beenden?“) oder Zwischenrufer („Um das klarzustellen, das ist ein Kabarettprogramm und keine Diskussionsveranstaltung.“) sind es jedenfalls nicht und dem Fortgang eines choreographierten literarischen Kabarett-Programms  abträglich. Publikum kann so dumm sein.
 
Fritz Eckenga hat seine Texte seit Tourneebeginn aktualisiert, weshalb zwar aus alter Anhänglichkeit noch ein bißchen Münte dabei ist und auch die Rudi Assauer-Parodie, aber Westerwelle und zu Guttenberg als mit Genuß Geschmähte an die Stelle von Rüttgers und Beck getreten sind. Mit der existenziellen Frage: „Warum ist die Glühbirne verboten, aber Guido Westerwelle Außenminister?“ rennt Eckenga weit offene Türen ein. Doch trotz aller Zeit- und Personenkritik  zeigen sich die literarische Gewichtung, die Metrik-Verliebtheit, die Versmaß-Akkuratesse als solider Hintergrund der kabarettistischen Aussage des Dortmunders, dem Bescheidenheit ebensowenig ansteht wie dem Papst eine Schanklizenz für Dortmunder Union. Eckenga, nicht grundlos Träger des Peter-Hille-Preises, ist ein Meister der Betr(s)offenheitslyrik, er ist der Ruhr-Poet unter den Kabarettisten, ein Schöngeist, dem auch Grobheiten anstehen. Seine Übertragung von William Shakespeares 130. Sonett im Tonfall der Kulturhauptstadt 2010 hätte Stefan George so nicht hinbekommen.
 
Auch wenn er sich über das mediale und politische Wörter-Boarding echauffiert, das Begriffe wie Minus-Wachstum, Rettungsschirm und Wachstumsbeschleunigungsgesetz hervorbringt, sich über Franz Beckenbauer als den Scholl-Latour des Fußballs aufregt oder Außenminister Guido Westerwelle als „ganz perfides Beispiel für Ausländerfeindlichkeit“ apostrophiert, zieht er das Publikum sardonisch auf seine Seite.
Natürlich dürfen in einem Eckenga-Programm die beiden beliebten Handelsreisenden Stromeyer und Hambacher nicht fehlen, die an der schäbigen Bar des schäbigen Vertreter-Hotels in irgendeiner öden Stadt ihr Schicksal bejammern. Denen hilft seit Jahren nur noch Schnaps über die Misere hinweg. Den brauchte allerdings auch der ansonsten versierte Künstler, nachdem ihm mitten in der Nummer, seinem Standard, der Text wegblieb und auch mit Hilfe des Skripts nicht wiederkam. „Festplatte abgestürzt“, so Eckenga als er sich extemporierend in die nächste Nummer rettete: „Nehmwernocheinen? Jasicher!“ Puh!
 
Mit kulinarischer Lyrik als Zugabe konnte er sich mit Anstand aus der Affäre ziehen, und man nahm das gute Gefühl mit, daß man nicht alleine fehlerhaft ist.
 
Erste Herbsthilfe á la bourguignon*
 
Wenn es novembert im Gemüt,
wenn gar nichts funkelt, glimmt und glüht,
wenn dir kein heller Ton gelingt,
wenn kaum noch Weiß ins Graue dringt,
 
dann schreib nicht noch ein Herbstgedicht.
Du weißt es doch, die leuchten nicht.
Die alten stapeln sich wie Laub
und fangen schon seit Jahren Staub.
 
Mach besser Feuer auf dem Herd,
daß Wärme in den Bräter fährt.
Hol zügig etwas Gutes ein,
besorge Wein und Rinderbein.
 
Bei angenehmen hundert Grad,
im speckigen Burgunderbad,
darf es sich räkeln mit Schalott
in stundenlangem Schmurgelpott.
 
Wenn es novembert im Gemüt,
wenn nichts mehr funkelt, glimmt und glüht,
dann hilft kein Gott und kein Gedicht,
dann hilft dir nur ein Schmorgericht.
 
*und ist es á la bourguignon
Vergiß bloß nicht den Chanpignon!
 
 
Zum Hören und Lesen, also als CD mit des Dichters Stimme selbst und als Buch, sind das Programm und die Lyrik textsicher im Handel zu haben.
 
Weitere Informationen unter: www.eckenga.de  und  www.kunstmann.de