Ummodeln

von Hanns Dieter Hüsch

© André Poloczek - Archiv Musenblätter
Ummodeln
 
Neulich habe ich zu meiner Frau gesagt: »Weißt du, was ich gehört habe?« »Nein«, hat da meine Frau gesagt. »Dann hör mir mal schön zu«, habe ich da gesagt. »Ich habe nämlich gehört, daß jetzt die Frauen die Männer - also ihre Männer - haufenweise ummodeln und der Mann meistens stillsteht und alles stumm über sich ergehen läßt.« Früher war das ja meistens umgekehrt. Da haben die Frauen jahrzehntelang ihre Männer gefragt: Wie möchtest du mich denn haben? Und dann haben die Männer gesagt: So und so und so und nicht anders! Und dann haben die Frauen das anstandshalber gemacht, das heißt, ich war ja nie so! Obwohl, habe ich gesagt, ich gehöre auch nicht zu den Männern, die von ihrer Mutter-Frau alle paar Jahre in den I. Stock von »Bügel und Kindermann« in die Herrenabteilung gezerrt werden. Dort steht dann der 40jährige Bub an der Hand seiner gnädigen Gattin stumm und steif und kriegt einen neuen Anzug verpaßt. »Paßt! Steht ihm gut, ist preiswert und sehr vorteilhaft!«  sagt der Verkäufer. Und der Mann ohne Eigenschaften nickt zu allem. Und dann sagt der Verkäufer auch noch, daß er schon seit Jahren denselben Anzug trüge, und man sei darin immer zeitlos und gut angezogen. Und dann dazu noch irgendein Hemd, irgendeinen Pullover und irgendeine Krawatte. Nicht  eine, sondern irgendeine! Man wird sich schon daran gewöhnen! Nee! So ein Mann bin ich nicht! Ich hatte immer meinen eigenen Kopf und meinen eigenen Geschmack und meinen eigenen Stil! »Jaja«, hat da meine Frau gesagt, »so ein Mann bist du nicht! Aber bedenke auch, daß ich es war, die dich an deinen letzten Haaren aus dem Sumpf der totalen Verwahrlosung gezogen hat. Bevor ich dich an die Hand genommen habe, war doch deine zeitlose schwarze Jeanshose grün von tausend Reinigungen. Und die durchgestoßenen Ärmelspitzen deiner zeitlosen Samtjacke mußtest du ständig mit einem schwarzen Filzstift nachfärben, damit die durchgescheuerten Stellen nicht auffielen.« »Ja, schon«, habe ich da gesagt, »aber es war eigenwillig und dekadent, Das muß mir der Neid lassen.« »Ich habe dir doch erst mal beigebracht«, hat da meine Frau gesagt, »daß es auch hellblaue Hemden gibt und nicht nur dunkelblaue, graue und schwarze.« »Jaja«, habe ich da gesagt, »du hast mir deinen eleganten zierlichen Fuß auf meine snobistische Brust gesetzt, und von da an trage ich nur noch weiße Taschentücher ohne Muster. Und wer mich sieht, hält mich für einen ausgekochten Technokraten in Beraterfunktion bei der Deutschen Bank.« »Das wärst du wohl gern«, hat da meine Frau höchst spitz gesagt. »Nun«, habe ich gesagt, »auch der kritischste Geist hat manchmal kommerzielle Gelüste. Immer noch besser als in einer Herrenabteilung dumm rumzustehen und sich alles mögliche widerstandslos verpassen zu lassen.« Nein, ich bin für feinsten, fast unsichtbaren Nadelstreifen. Nicht, weil meine Frau mir den Streifen aufzwingt, sondern weil ich der Typ dafür bin. Was ich eigentlich immer schon gewußt, aber vor lauter Understatement vergessen  hatte. »Fein aus der Affäre gezogen«, hat da meine Frau gesagt. »Aber solange du nicht wie ein gestylter Jung-Architekt aus Milano oder wie ein Schlabber-Alibaba mit tausend Bundfalten herumläufst, ist mir das gleichgültig, wer dich umgemodelt hat. Ob ich oder du, Hauptsache: Es gefällt mir, und es steht uns!«


© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Es kommt immer was dazwischen" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung