Essen und Ärger(n)

Ein Steak-Abenteuer in Leverkusen

von Frank Becker

Foto © Silke Kesting
Essen und Ärger(n)
 
Nehmen wir einmal an, lieber Leser, liebe Leserin, es verschlägt  Sie aus welchen Gründen auch immer in die die nicht unbedingt zu den Tourismus-Höhepunkten zählende rheinische Stadt, über der das berühmte Bayer-Kreuz leuchtet und ein Japanischer Garten die vielleicht einzige Attraktion ist - richtig: Leverkusen. Und nehmen wir weiter an, Sie verspüren des Abends Appetit auf ein handfestes Essen, zum Beispiel ein saftiges Steak. Gerne lassen Sie sich von Einheimischen oder Geschäftsfreunden beraten und kehren schließlich vielleicht in deren Begleitung, gar auf eine nette Einladung hin in einem der zehn auch in Internet-Foren beschriebenen Leverkusener Steak-Restaurants ein – Sie haben sich für ein Lokal entschieden, das sich mit dem Namen einer beliebten italienischen Romanfigur schmückt - und weil dort das Fleisch besonders gut sein soll.

Sie nehmen am zuvor reservierten Tisch im eigentlich recht gemütlich wirkenden Restaurant Platz, und ein beinahe schon zu jovialer Kellner reicht Ihnen die Karte. Die Auswahl ist nicht zu ausufernd und nicht zu knapp, so soll es sein. Die Preise sind saftig, die einzeln zu ordernden Beilagen stocken den Betrag erheblich auf. Saftig ist aber glücklicherweise Ihr auf den Punkt medium rare gebratenes argentinisches 310-Gramm-Steak (Pluspunkt 1). Die Bohnen dazu sind ein wenig zu fett geraten und die Sauce Bernaise scheint einem Päckchen zu entstammen (Minuspunkt1). Das ist schade, denn das Fleisch, das ihrem Gaumen so geschmeichelt hat, hätte eine bessere Begleitung verdient. Nicht alles Bestellte wird der Tischgesellschaft zur gleichen Zeit serviert, die eine oder andere Beilage ist in Vergessenheit geraten (Minuspunkt 2). Nun ja, die Gesellschaft ist angenehm, man unterhält sich und ist bereit, darüber hinweg zu sehen. Darüber hinweg, nämlich über Ihre Getränkewünsche, schauen aber leider auch die jovialen Kellner, einer wie der andere ausgesprochen heiteren, ja humorvollen Gemüts, die vor lauter Heiterkeit grundsätzlich meist nicht schauen, wenn Sie ein Getränk bestellen möchten – diese hohe Kunst des Wegsehens beherrscht man erst nach langer Praxis. Vielleicht liegt es aber auch daran, daß man Sie wegen der Lautstärke der Musik, die aus den Lautsprechern dröhnt (Minuspunkt 3), nicht gehört hat. Daß die heiteren Herren, denen man ganz vorsichtig klarmachen muß, daß man nicht geduzt werden möchte (Minuspunkt 4) das Bestellte dann aber – nein wie ist das lustig – grundsätzlich erst nach der zweiten Erinnerung servieren (Minuspunkt 5) ist schon recht ärgerlich.

Gut, ein Kellner kann schon mal ungeschickt sein und es fällt ihm ein Tablett aus der Hand. Sein Problem. Nicht aber, wenn auf dem Tablett einige Gläser Grappa standen und diese sich nun nicht nur über den Boden des Restaurants, sondern auch über die Kleidung des Gastes in der Nähe ergießen. Auch das findet man dort schrecklich lustig, hält es nicht für nötig, sich zu entschuldigen, dem Gast Hilfe bei der sofortigen Reinigung oder eine kleine Entschädigung anzubieten (Minuspunkt 6). Nein, nein, souverän und heiter, wie man nun mal ist, wird darüber mit losem Maul „das trocknet schon wieder“ hinweggegangen (Minuspunkt 7). Selbst ist also der Mann, sucht die Toilette im Kellergeschoß auf und findet a. keine Seife im Seifenspender (Minuspunkt 8) und b. ein herausgerissenes, flatterndes und keine saubere Fläche bietendes ehemaliges Endlos-Handtuch, das jetzt ein Ende hat (Minuspunkt 9). Da fällt mir der kluge Grundsatz ein, daß man sich in einem Restaurant zuerst die Toiletten ansehen soll, um auf den Rest schließen zu können. Das wäre hier ein glatter Durchfall. Aber man hat ja ein Taschentuch, um sich zu behelfen.

Der Abend neigt sich, die Gesellschaft schreitet zum letzten Gang, dem Dessert, das zum kulinarischen Abschluß als „cremiges Nußeis“ aus der Karte lockt. Es kommt: ein steinhart tiefgefrorenes Fertig-Eis, das sich der Durchdringung mit dem Löffel hartnäckig widersetzt (Minuspunkt 10). Als es dann aus Richtung Küche auch noch zu riechen anfängt, als läge ein mit Käse imprägnierter alter Spül-Lappen auf dem Grill (Minuspunkt 11), macht das Maß endgültig voll. Man geht recht gerne.
 
Fazit: Rechnen wir die Plus- und Minus-Punkte gegeneinander auf, bleibt der eine Pluspunkt für das wirklich hervorragend zubereitete Fleisch das einzige Gegengewicht für die erdrückende Last der elf aufgelisteten Minuspunkte. Das spricht nicht für das Lokal, das gerne ein Restaurant sein möchte. Da sucht man sich doch lieber eines, das bei gleicher Fleischqualität (ich schätze, das gibt es gewiß) ein angenehmeres, saubereres, höflicheres Ambiente zu bieten hat.