Palmström steht an einem Teiche...

Joachim Klingers Neue Gedichte - "Palmströms Taschentuch und Korfs Galoschen"

von Frank Becker
Palmström steht an einem Teiche...

Musenblätter-Leser kennen Joachim Klinger natürlich schon längst durch seine Gedichte und Zeichnungen, die hier regelmäßig erscheinen. "Nebenbei" verlegt der feine Düsseldorfer Grupello Verlag (siehe Kasten nebenan) Joachim Klingers Gedichtbände, mit denen er häufig dem Genie Christian Morgensterns und Joachim Ringelnatz´ huldigt.

Frisch aus der Druckerpresse und vom Buchbinder liegt jetzt der jüngste Streich des Lyrikers Joachim Klinger auf dem Tisch: "Palmströms Taschentuch und Korfs Galoschen". Da gibt es wieder, wie der Titel schon verrät, Reverenzen an die beiden Großen der grotesken deutschen Lyrik, doch darüber hinaus viel, viel mehr. Aber bleiben wir zunächst bei Palmström und Korf. Kaum hat je ein Dichter das Werk Morgensterns mit so viel Witz und leiser Ironie fortgesetzt wie Klinger. Er hat sogar den Mut, dessen Figuren zu Grabe zu tragen - und das heißt schon was! Palmström wird auf Seite 26 als Leiche aus dem Haus getragen. Zu seinem Nachlaß gehört das berühmte Taschentuch (sie wissen schon: "Auf dem Tuch ist eine Eiche/ dargestellt, sowie ein Mensch mit einem Buch."), das ein jeder vor Augen hat und das - was sonst - natürlich in ein Museum gehört, wo es auch hinkommt. Der Idee und dem Charakter des gedankenreichen Erfinders Korf angemessen, machen sich nach dessen Tod seine Galoschen selbständig, nehmen ein geduldetes Eigenleben auf. Das paßt.

Doch auch Ringelnatz schlafwandelt durch den hübschen Band, Kurt Schwitters´ Anna Blume tritt auf, Poes Rabe "Nevermore" kündet von Freund Hein und etliche Kollegen der dichtenden Zunft werden heiter ad absurdum geführt. Klingers Rubrik "Wenn ich die ersten Zeilen klau´ und auf die Phantasie vertrau´" treibt Schabernack u.a. mit Benn, Storm und Hesse, Huchel, Rühmkorf, Trakl, Morgenstern und Rilke. Wer wie Joachim Klinger belesen ist und über seine lyrisch-satirischen Fähigkeiten verfügt, darf das.

Die Stunde
(nach Hermann Hesse)

Es war noch Zeit; ich konnte gehn,
und alles wäre ungeschehn.

Doch irgendetwas hielt mich fest,
der klare Schnaps gab mir den Rest.

Es mußte sein. Ich nahm das Beil.
Am Vertiko blieb nichts mehr heil.
Ich haßte es seit langer Zeit
wie meine Tante Adelheid.

Das war für mich der Härtetest.
Fort war der Druck, der mich gepreßt,
mein ganzes Leben wie befreit

von schwerer Last der Jugendzeit.


Mit einem gehörigen Maß Selbstironie bespiegelt er sich auch selbst und mit Spott seine Kritiker. Doch auch die Philosophie und ernste Themen spart er nicht aus: seine Gedichte über Schuld und Sühne haben Substanz.

Autoren wie Joachim Klinger sind eine Rarität - und ein großes Geschenk in einer Zeit, die Lyrik und Lyriker der "alten Schule" gering schätzt. Schließen wir mit einer Verneigung vor der Hohen Schule der Dichtung mit einem kleinen, frechen Gedicht (denn auch das kann er):

Herr Sommer

Die Dame lächelte gequält:
»Ihr Händedruck ist heiß!«
Herr Sommer sprach: »Was heiß ist, zählt.
Und glauben Sie: Ich weiß!«

Die Dame flüsterte erregt:
»Der Handgriff war nicht fein!«
Herr Sommer sagte unbewegt:
»Gut so! Das mußte sein.«

Die Dame lag ermattet da,
wie an den Strand geschwemmt.
Herr Sommer sah, was ihr geschah,

stand auf und schloß sein Hemd.

Beispielbild


Joachim Klinger
Palmströms Taschentuch und Korfs Galoschen

Gedichte

© 2007 Grupello Verlag Düsseldorf

135 Seiten, Klappenbroschur, mit 28 Zeichnungen des Verfassers
12,90 €

Weitere Informationen unter:
www.grupello.de

Der Autor:

Dr. Joachim Klinger, * 1932 in Dortmund, seit 48 Jahren verheiratet, Vater, Großvater, Jurist (Promotion 1960)
bis 1964 Arbeit am Schulkollegium Münster
1964-1994 Kultusministerium NRW

Veröffentlichungen (Auswahl): "Prozeß und Zeichnung - Justizkarikaturen" (1973), "Freispruch für die Karikatur" - ein Plädoyer mit Illustrationen (1999),
"In Hafenkneipen trifft sich gern der Ringelnatz mir Morgenstern" - Lyrische Kapriolen und Karikaturen (2002), "Morgensterns Kater, Ringelnatzens Pinguin" (2004), "Wadenkrampf bei Waterloo" (2006), "Palmströms Taschentuch, Korfs Galoschen" (April 2007)

Illustrationen (u.a.): zu Ulrich Harbecke "Mantel, Schwert und Feder", ders. "Literadatsch", zu Martin Bergande "Der irrende Ritter der Poesie oder Grabbe in Düsseldorf"

Ausstellungen (Auswahl):
1992 Orangerie Schloß Benrath
1995 Guardini-Stiftung in Berlin
2002 Wilhelm Fabry Museum, Hilden
2006 Matera/Italien