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Die Kolumne am Mittwoch

von Friederike Zelesko
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Die Kolumne am Mittwoch
von  Friederike Zelesko


Die Form des Interviews ist nicht geeignet, die richtigen Fragen über das Leben eines Menschen zu stellen. Dafür haben wir die Literatur.

Stellt sich auf einer Anhöhe von mehreren hundert Metern die Sicht auf das Meer anders dar? Man hat das Meer unter sich, bewegungslos und bedeckt von Luft. Der Blick darf maßlos sein, darf die Luft beiseite schieben, das Blau des Wassers verzehren. Der Gedanke darf das Blau bis auf den Grund durchdringen. Wer dreimal darf sagt, hat alle guten Dinge ...

Bist du dir in Augenhöhe einig mit dem Meer und dem Salz darin? Verdampft das Meerwasser, werden Salzkristalle geboren. Diese Geburt ist schmerzlos. Nur wenn man das Salz in eine Wunde streut ...

Drückt die Sonne allen Dingen und Lebewesen ihr Mal auf? Alles Mediterrane heilt. Mittags, wenn die Sonne am höchsten steht, genieße ich in den Schatten. Meine Haut bräunt sich.

Was sind Regenzeichen? Pinien, Zypressen und Tujahecken duften schon vor dem Naß.

Wann kommen die Gewitter? Der Blitz über der Bucht schaltet sich nach einem heißen Nachmittag wie die Glühbirne ein und aus. Nach dem Gewitter baut sich in einer Sonnensekunde die Schönheit eines Regenbogens auf. Alle Kreaturen verblassen in seinem Nebenbogen.

Greifen die Finger der Feigenbaumblätter nach dir? Sie versprechen das Blaue vom Himmel herunter. Die Früchte sitzen noch fest in einer Reifekammer und werden zur rechten Zeit süß. Sie fordern das Warten auf den Genuß heraus.

Was gefällt dir im Hafenrestaurant? Ich höre das Meer an Tür und Tisch schlagen. Mir schmeckt der Fisch, den ich nicht selbst gefangen und gebraten habe.

Wie beizt du deinen Geruchssinn? Ich breche das Lorbeerblatt und zerreibe den Thymian zwischen den Fingern.

Wie funktionieren deine fünf Sinne eigentlich? Sie sind wie Leinwände, in Rahmen gespannt, und ich beobachte fünf Nadeln mit fünf Fäden wie sie ihre Bilder sticken.

Doch ein Interview zur Person, zur Sache und zur Meinung kann niemals beendet sein. Wer eine aufrichtige Antwort verlangt, muß aufrichtig fragen.

 

© Friederike Zelesko - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2011