Ekelhaft!

Anmerkungen zu Goethes "Faust"

von Karl August Böttiger

Von unbekannter Bubenhand

Ekelhaft!


Wo faß ich dich, unendliche Natur?
Euch Brüste, wo? Ihr Quellen allen Lebens,
An denen Himmel und Erde hängt,
Dahin die welke Brust sich drängt -
Ihr quellt, ihr tränkt, und schmacht´ ich so vergebens?



Wie ekelhaft, daß Faust die Natur bei ihren Brüsten fassen will! Diese Brüste verwandeln sich in Quellen, und an diesen hängt Himmel und Erde. Fausts welke Brust drängt sich an diese Brüste der Natur, als Quellen allen Lebens; sie quellen, sie tränken, aber dem armen Faust kommen sie nicht zugute. Da ein Dichter wie Goethe solche Verse in die Ausgabe seiner Werke von letzter Hand aufnimmt, darf man sich wohl wundern, wenn die Franzosen den Deutschen den Ungeschmack zum Vorwurf machen?

(K.A. Böttiger, 1809)

Karl August Böttiger (1760-1838) war Archäologe, Philologe, Schriftsteller, ab 1794 Rektor in Guben und von 1791-1804 Gymnasialdirektor in Weimar. Sein Werk galt schon 1900 als "veraltet".