Bei Eisensteins wird gesoffen

"Die Fledermaus" in Nürnberg

von Alexander Hauer

Nürnberg
Die Fledermaus 
 
Konservativ ist kein Schimpfwort
 

Bei Eisensteins wird gesoffen wie in amerikanischen TV-Serien der 60er Jahre. Leere und volle Flaschen, Champagner und Whisky sind Hauptdekoration des ersten Aktes. Ansonsten wenig roter Plüschsamt, der sich durch die ganze Inszenierung zieht. In Waut Koekens abonnentenfreundlicher Revue über Suff und Sünde wird kein Klischee ausgelassen.

 
Jochen Kupfer als ehebrecherischer Eisenstein ist stimmlich eine Wohltat, genau wie Kurt Schobers Falke. Beide spielen die notgeilen Provinzler, die Ehe und Reputation für einen flotten Abend im Rausch aufs Spiel setzen, sehr überzeugend. Warum Eisenstein aber überhaupt bei den beiden(!) Superschüssen (Sybille Witkowsky als Rosalinde und Heidi Elisabeth Meier als Adele) überhaupt zu Orlowsky will, liegt sicherlich in der Psyche des Mannes begründet. Warum Rosalinde trotz einem so gutaussehenden Gabriel sich dann aber nach Alfred (Tilman Lichdi in der Maske eines z.Z. sehr bekannten Tenor aus dem Münchner Raum) sehnt, liegt sicherlich nicht nur an den tenoralen Qualitäten Lichdis. Allein dieses Quartett würde diese Inszenierung lohnen, aber Nürnberg trumpft auf. Rainer Zauns Gefängnisdirektor Frank, ein bigottes Beamtenmännlein, das es auch mal krachen lassen will, überzeugt schon im ersten Akt durch unglaubliche Komik, die sich im Laufe der Operette ins schier Unerträgliche steigert. Ja, und dann befindet man sich schon im zweiten Akt. Teresa Erbe gibt den Orlowsky als altgewordenen Blauen Engel, stets in Begleitung zweier sehr attraktiver Leibwächterinnen. Stimmlich wie darstellerisch äußerst lasziv und gelangweilt, strahlt sie eine unberechenbare Gefährlichkeit aus. Der Chor unter Edgar Hykel agiert in Frack und Abendkleid äußerst präzise und sehr spielfreudig. Ergänzt werden sie durch das Ballett, das in der Choreographie von Joshua Monten brilliert.

 

Koekens Regie, das Bühnenbild Yannik Larivées und die bezaubernd frivolen Kostüme Susanne Hubrichs verstrahlen eben genau diese Champagnerlaune, die man mit der Musik Johann Strauss‘ verbindet. Hier findet keine Sozialkritik statt, die Scherze sind bewährt, die dramatische Entwicklung voraussehbar. Bei Eisensteins werden die Dienstboten nicht ausgenutzt, Orlowsky betreibt kein Hobbybordell für Hausfrauen, Männer sind genauso schlecht wie Frauen, und das Gefängnis ist ein wunderbarer Operettenknast. Eben eine konservative Inszenierung, und das ist auch gut so.
Christof Prick läßt schon in der Ouvertüre keine Zweifel daran, wohin der Abend steuert. Der Champagnerkorkenauftakt gerät zu einem Stahlgewitter, kraftvoll und präzise abgefeuert. Die Nürnberger Philharmoniker halten dieses Niveau über den ganzen Abend, die hintergründige Ironie, der falsche Liebestaumel in verführerischen Walzerklängen gelingt ihnen genauso wie der imitierte Csárdás oder das Typenprogramm Adeles.

Der dritte Akt beginnt mit dem mittelfränkischen Topkomödiantenduo Heißmann und Rassau. Ob diese Verdoppelung des Froschs der Weisheit letzter Schluß ist, sei dahingestellt. Die beiden auch im Rest von Deutschland bekannten Franken ziehen ihr Programm durch. Schlüpfrige Zoten und fränkische Schimpfwörter, gerne als fränkischer Charme verkauft, brachten das Auditorium zum Rasen. Im dritten Akt schlug dann auch Tilman Lichdis große Stunde. Aus seiner Zelle - ein abgeschmückter Kronleuchter - sang er sich durch das große Tenorrepertoire.
Nürnberg besetzte alle Gesangspartien aus dem Haus, und auf dieses Ensemble könnte jedes Theater stolz sein. Ein Baritonduo erster Güte, ein sonorer Bass, der den Fröschen die Schau stahl, und zwei überragende Sopranistinnen. Heidi Elisabeth Meier, eine „Koloraturmaschine“, die sich scheinbar vor keiner Herausforderung fürchtet, und Sybille Witkowsky, die Operettendiva schlechthin. Nobel im Klang und elegant in der Erscheinung war sie der Hingucker, dominierte  den zweiten Akt.


Im begeisterten Schlußapplaus kassierten die Lokalmatadoren Volker Heißmann und Martin Rassau ab, aber auch die musikalische Seite wurde euphorisch gefeiert. Das  Regieteam wurde mit enthusiastischem Beifall bedacht.
Wie gesagt, konservativ ist kein Schimpfwort, und die Fledermaus kein Tummelplatz für Revoluzzer.

Weitere Informationen unter: www.staatstheater-nuernberg.de 

Fotos: Jutta Missbach  -  Redaktion: Frank Becker