Konrad Beikircher
Musikstunde Isabelle Faust und Bach
Habe ich eigentlich schon von einer meiner derzeitigen Lieblings-CDs erzählt? Nein? Oh, welch sträfliche Nachlässigkeit. Das will ich jetzt aber flugs nachholen!
Es ist wieder einmal eine Bach-Einspielung, Sonaten und Partiten für Violine solo, jeder Geiger der was auf sich hält, hat ja so seine obligaten Stationen: gerne Paganini als Einstieg oder was ähnlich virtuoses, dann die großen Konzerte für Violine und Orchester und dann, sozusagen als Krönung in Ernst, Tiefe und gleichermaßen Virtuosität: die Bach Solo Sonaten und Partiten. Und es sind natürlich nicht immer Aufnahmen und Interpretationen, die einen vom Sockel hauen. Oft ist es so, daß sie eher Bach vom Sockel hauen, aber gewaltig. Es gibt Dinge, auf die sollte man mit der Technik verdammt vorsichtig losgehen, oft ist es besser, zu zeigen, daß man zwar schneller könnte aber nicht schneller will. So einfach ist das. Das rechte Maß aber zu finden ist mit etwas vom Schwersten, was die Musik so zu bieten hat und das ist Bach schon ein ganz besonderer Prüfstein. Wenn es sich aber um eine Geigerin vom Format einer Isabelle Faust handelt, kann es - wie hier - zu einer Sternstunde kommen. Diese Einspielung – es handelt sich um die Partita in d-moll, die mit der Chaconne, dann die Sonate in C-Dur und die Partita in E-Dur - gehört aber mit der von Henryk Szering und der von Christian Tetzlaff zu den schönsten überhaupt. In meinen Augen natürlich. Isabelle Faust hat ein bißchen das Handicap, daß alle Kolleginnen und Kollegen nur in den höchsten Tönen von ihr schwärmen – ich habe vor Jahren beim Kammermusikfest ‚Spannungen’ in Heimbach in der Eifel Isabelle Faust an der ersten Geige zusammen mit anderen Champions-League Spielern die „Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“ von Josef Haydn spielen hören und bekommen heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke – daß sie aber nicht wirklich PR-kompatibel ist, sie gehört zu den in der Werbebranche als etwas schwierig geltenden Inhaltlichen.
Für Mätzchen ist sie nicht wirklich zu haben, obwohl sie viel Humor hat und gerne lacht. An der Geige aber gehört sie – und nicht nur für mich – zu den ganz Großen. Sie hat einen Atem, der einen in Bann hält, sie hat eine Tiefe, die grandios ist, und wie sie den Ton modelliert, gestaltet und bis in die letzten Winkel ausleuchtet ist beispielhaft. Natürlich hat sie alle Technik der Welt, aber das versteht sich ja von selbst. Ich empfehle ihnen aus dieser CD als Appetithäppchen das Allegro assai der c-moll Sonate, weil sie hier genau das hören können: sie findet das, wie ich meine, richtige Tempo und das richtige Maß, sie federt mit einer Leichtigkeit durch den Satz, die begeistert und wenn sie hören, wie sie sich genüßlich hier und da eine Hundertstel-Sekunde länger als vorgeschrieben auf einen tiefen Ton setzt um ihm die Sattheit zu geben, die aus der Pflicht die Kür macht, dann bleibt nur noch eins: Begeisterung. Aber hören Sie es sich einmal selbst an!
Sie spielt übrigens auf der Stradivarius-Geige „Dornröschen“ von 1704, auch die Sleeping Beauty genannt. Na, aber das werden Sie ja sicher heraushören.
Einen musikalisch und überhaupt genußreichen Tag wünscht Ihnen von Herzen
Ihr
Konrad Beikircher
© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2010
Redaktion: Frank Becker
|