Plauderstunde

Über Altphilologen und die Griechen

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker

Konrad Beikircher
Plauderstunde

Über Altphilologen und die Griechen



Austeilen und nix einstecken können, da waren wir letzte Woche dran, gell - und da fällt mir Griechenland ein und die Schelten und Rügen an der griechischen Lebensart, korrupt sei er, der Grieche, nur das leichte Leben im Kopf habe er, der Grieche, den Tag mit Metaxa anfangen und den Rest inna Retsina-Flasche beenden, das sei des Griechen Tageslauf, antike Scherben (vom Scherbengericht im alten Athen natürlich) verscherbele er an die Russen-Mafia gegen Höchstgebot und die Akropolis sei auch nur noch eine Kopie, das Original stünde bei irgendeinem indischen Multimilliardär im Park, weil der keine Lust mehr gehabt habe, ständig vor Liebespaaren zu beten, die in den aberwitzigsten Verrenkungen für die Erhaltung der Art sorgen, und überhaupt: der Grieche sei der Ober-Tachinierer der Menschheit, faul, korrupt, verschwenderisch. Und jetzt sollen wir denen auch noch aus der Pleite helfen! Bis in den Fußball hinein tobte die Diskriminierungsschlacht: eine Boulevardzeitung titelte bösartig: „Unfaßbar! Pleite-Griechen wollen Ballack kaufen!“ Mein Gott, Herrschaften, vergessen Sie bitte zwei Dinge nicht. Das eine ist das, worauf Gustav Heinemann hingewiesen hat: „Wer mit dem Zeigefinger auf andere Leute zeigt, sollte nie vergessen, dass drei Finger seiner Hand auf ihn selbst zeigen.“ Und das andere ist: habt Ihr denn alle miteinander vergessen, daß der Grieche unser Abendland und seine Kultur begründet hat? Ohne ihn sähe es düster aus in Mitteleuropa, wir wären wahrscheinlich alles West-Mongolen oder Süd-Wikinger, würden in Jurten leben und unseren Kälbern das Filet aus dem Rücken beißen. Nur: die Griechen selber haben sich nie anders gesehen. Ich darf da wieder einmal meinen Liebling Athenaios von Naukratis zitieren: In seinem wundervollen Buch „Das Gelehrtenmahl“, eine Lektüre, die ich jedem, der wissen möchte, wie das denn früher so war, ans Herz lege, kommt er im siebenten Buch auf seine Landsleute und ihrem Lebensstil zu sprechen. Dabei zitiert er Philetairos, den Sohn von Aristophanes, einem der größten Komödienschreiber der Menschheit, noch größer als Mario Barth, bestimmt, und Harald Schmidt sowieso. Philetairos hat auch bissige satirische Komödien geschrieben, leider ist nix mehr erhalten außer ein paar Zitaten bei meinem Athenaios, wahrscheinlich haben die Griechen das damals auch schon alles auf dem Schwarzmarkt
verkloppt. Jedenfalls beschreibt Philetairos den Lebensstil der Griechen um 400 vor Christus so:
 
„Was kann, wer sterblich ist, denn Besseres tun,
als angenehm zu leben Tag für Tag,
sofern er’s hat? Dies ist das wahre Ziel,
bedenkt man, wie’s im Menschenleben geht.
Das Morgen zu erwägen lohnt sich nicht,
und sinnlos ist’s, wenn man das viele Geld
zu Hause rosten läßt.“
 
No bitte, is das nix? Das war also immer schon so, beim Griechen, jeder rostige Altphilologe wußte das und hätten die Damen und Herren Politiker ihre Schule nicht auf dem Pisa-Turm besucht, wüßten sie’s auch und hätten sich all diese blödsinnigen und die Griechen beleidigenden Kommentare sparen können.

So das mußte mal raus. Jetzt fühl ich mich schon besser - und wünsche Ihnen einen begnadet schönen Tag!

Ihr
Konrad Beikircher



© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2010
Redaktion: Frank Becker