Gismo Swing!

Gismo Graf Trio - "Absolutely Gypsy"

von Frank Becker
Die ganze Seele des Manouche

Vor einigen Tagen kam mit der Post die CD in der Redaktion an, von der ich Ihnen heute erzählen möchte - seit einigen Tagen sind alle hier bes(ch)wingt - Sie ahnen einen Zusammenhang? Da liegen Sie völlig richtig! Schuld ist "Absolutely Gypsy" von Gismo Graf und seinem Trio. In einer Zeit, die draußen herbstlich grau nebelverhangen und verregnet ist und ein kalter Sturm in die Knochen fährt, in einer Zeit, in der man von Gewalt , Katastrophen und Elend liest, sobald man die Gazetten aufschlägt und kreischende Teens schrillen Gaga-Pop feiern ist ein Album wie dies hier pure Labsal.

Gismo Graf - man höre und staune, daß der Gitarren-Virtuose erst ganze 18 Jahre alt ist - hat mit seinem Vater Joschi als Partner an der Rhythmusgitarre 13 Stücke eingespielt, die mit ihrer knappen Dreiviertelstunde Spieldauer soviel gute Laune, Harmonie und Sonne mitbringen, daß man davon getrost den ganzen Tag zehren kann. Wer noch mit den Wagen zu einem Termin fahren muß, legt unterwegs die CD ein - und ist gegen Stau-Langeweile und den Ärger mit anderen Verkehrsteilnehmern gefeit. Zu Gismo und Joschi Graf tritt wie beim Debüt-Album "16 Strings" Jan Jankeje am Kontrabaß. Als hochkarätige Gäste kann Gismo bei einigen Titeln Tony Lakatos an den Saxophonen und Olaf Polziehn am Klavier begrüßen.

Herausgekommen ist eine fabelhafte Mischung von Poesie und hoher Virtuosität mit sieben Klassikern des Zigeuner-Jazz und immerhin vier eigenen Titeln von Gismo und Joschi Graf. Gismo zeigt sich dabei nicht nur als interpretationssicher, er gibt jedem der gecoverten Titel ein eigenes, neues Gesicht, ob das ein Stück von Altmeister Django Reinhardt ist (Sweet Chorus) ein Blues-Traditional wie Philip Brahams "Limehouse Blues" oder Charlie Parkers Bebop "Donna Lee", bei dem er Schützenhilfe von Olaf Polziehn und Tony Lakatos bekommt. Das paßt und ist ehrenvoll, aber das Trio hätte auch ohne das ebenso grandios abgeschnitten wie bei den anderen Stücken ohne Gastauftritte.

Pur ist immer noch am besten, das zeigen Dick Winfrees "China Boy", das schon Lionel Hampton zu einem Arrangement bewegt hat und Joe Venuti zu einer brillanten Violin-Adaption inspirierte,  "Coucou"
von Mathias/Feline und das traumschöne "Festival Django" von Vater und Sohn Graf, das beispielhaft für die ganze Eleganz, Poesie und Klangfülle des Zigeunerjazz stehen kann. Virtuos, mit viel Feingefühl, dazu mit Understatement spielt Gismo das, während Jankeje vor dem Hintergrund des soliden Rhythmus beim Bass-Solo ein ganz klein wenig zuviel Slap gibt. "La Gitane" (Die Zigeunerin) von Tchan-Tchou Vidal, ein wahrer Klassiker, ist unendlich oft interpretiert worden, kein Großer des Gypsy-Jazz hat es je ausgelassen. Gismo Graf kann sich mit allen messen, ja man kann seine delikate Interpretation zum Besten zählen.

Nicht anders verhält es sich mit dem "Sweet Chorus" der Legende Django Reinhardt selbst - eine tiefe Verneigung der Grafs vor dem Altmeister,  wir hingegen applaudieren Gismo und Joschi für die dezente Übernahme des exemplarischen "Original-Reinhardt". Ein kleines temperamentvolles Wunder ist Gismo Grafs knapp zwei Minuten währender "Gismo Swing", ein herrliches Vergnügen, das keinen Fuß stillstehen läßt. Klasse! Auch Gismos romantischer kleiner Walzer, die Ballade "Ninon" ist Ohrenweide, ein Stück, das zum Mitsummen und zum beschwingten Tanzen auffordert. Zweimal hören wird Joschi Grafs Stimme und registrieren erstaunt die variable Bandbreite des Sängers und Gitarristen. In "
We´ve Got A World That Swings" jazzt er mit Olaf Polziehn und Tony Lakatos im feinsten Hardbop, bei "Mari Gidli", seinem eigenen Stück, hören wir die ganze sehnsuchtsvolle Seele des Manouche.

Dieses wundervolle Album beschwingt! Dafür gebührt ihm unsere Auszeichnung: der Musenkuß!

Beispielbild
Cover-Foto: Tom Maurer

Gismo Graf Trio
Absolutely Gypsy

Gismo Graf -Solo-Gitarre
Joschi Graf - Rhythmusgitarre, Gesang (9, 12)
Jan Jankeje - Kontrabaß
Gäste:
Tony Lakatos - Saxophon (1, 9, 12, 13)
Olaf Polziehn - Klavier (9, 11, 13)

Produziert von Gismo Graf und Joschi Graf

(P) + © 2010 Sintijazz

Titel:
1. Destiné  4:20
2. China Boy  2:17
3. Festival Django  5:34*/**
4. Coucou  3:44
5. La Gitane  2:45
6. Sweet Chorus  3:34
7. Them There Eyes  2:32
8. Gismo Swing  1:51*
9. We´ve Got A World That Swings 3:59
10. Ninon  1:58*
11. Limehouse Blues  3:01
12. Mari Gidli  3:37**
13. Donna Lee  4:09

Gesamtzeit:  43:57

*Gismo Graf / **Joschi Graf

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