Die Rückkehr der Götter
Berlins „verborgener Olymp“ in einer Mannheimer Sonderschau Während derzeit tout le monde ins Mannheimer Zeughaus strömt, um dort die großartige Ausstellung „Die Staufer und Italien“ zu sehen – die Musenblätter berichteten am 4. Oktober 2010 – macht eine andere hervorragende Ausstellung der Reiss-Engelhorn-Museen im gegenüberliegenden Gebäude „Museum Weltkulturen“ derzeit eher den Eindruck, in einen tiefen Dornröschenschlaf versunken zu sein. Konnten in den ersten vier Wochen seit Eröffnung der Staufer-Ausstellung bereits 50.000 Besucher gezählt werden, scheint das Interesse an der schon seit dem 13. Juni 2010 und noch bis Mitte 2011 laufenden Ausstellung „Die Rückkehr der Götter“ vergleichsweise gering. Zu Unrecht, wie ein Rundgang durch diese schön inszenierte und zugleich überaus lehrreiche Schau zeigt.
Götterwelt kompakt
Denn selten bietet sich die Gelegenheit, die griechische und römische Götterwelt so konzentriert, so kompakt, so zusammenhängend erleben zu können wie momentan in Mannheim. Dabei ist das hier erstandene Pantheon – was ja nichts anderes bedeutet als ein allen Göttern geweihter Ort – keines jener Kabinette, in denen dichtgedrängt verstaubte Gipsabgüsse antiker Skulpturen ihr jammervolles Dasein fristen. Vielmehr zeigt die Mannheimer Ausstellung hochkarätige Schätze, vor allem
Spannende Sammlungsgeschichte
Zweifellos dürften die Grundzüge der griechisch-römische Mythologie auch zu Beginn des dritten Jahrtausends noch zum allgemeinen Bildungskanon gehören. Fragt man aber, was es mit dem Titel
Sie beginnt im Jahr 1698 mit dem Ankauf einer Kollektion von Antiken durch den brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. Entscheidende Zuwächse erfuhr die Sammlung unter Friedrich II., dem Großen, der während seiner langen Regierungszeit (1740–1784) nicht nur aus großen Privatsammlungen kaufte, sondern dem auch die Antikensammlung seiner Lieblingsschwester Wilhelmine nach deren Tod zufiel. 1747 hatte der kunstsinnige Preußenkönig die hellenistische Bronze des „Betenden Knaben“ erworben und in Sanssouci aufstellen lassen – bis heute eines der Prachtstücke der Berliner Sammlung – , zwanzig Jahre später gelang ihm der Kauf einer exquisiten Porträtbüste Julius Cäsars.
Napoleon ließ bedeutende Werke aus Berlin nach Paris bringen, doch konnten nach der Rückführung der von ihm geraubten Kunstschätze Planungen für ein eigenes Berliner Antikenmuseum beginnen. 1830 fanden dann in der Rotunde des von Karl Friedrich Schinkel errichteten Museumsneubaus 214 griechische und römische Skulpturen Aufstellung. Durch systematische Neuerwerbungen, vor allem aber durch Grabungskampagnen auf dem griechischen Festland und in Kleinasien, wuchs die Berliner Sammlung schnell weiter. Da der Schinkel-Bau rasch aus allen Nähten geplatzt war, wurde 1859 in unmittelbarer Nähe des nunmehr „Alten Museums“ das von Friedrich August Stüler entworfene „Neue Museum“ eröffnet. (Durch Bomben im Zweiten Weltkrieg schwer getroffen, überdauerte es die DDR als Ruine und erlebte nach einer langwierigen, von dem englischen Stararchitekten David Chipperfield geleiteten Rekonstruktions- und Restaurierungsphase im letzten Jahr ein glanzvolles Revival.) Da auch dieses „Neue Museum“ nach den Grabungen im ostgriechischen Pergamon zu klein geworden war, wurde im Jahr 1901 ein erstes, noch bescheidenes Pergamonmuseum eingerichtet, das wegen baulicher Mängel und seiner unzureichenden Dimensionen aber schon 1908 geschlossen und abgerissen wurde. An seine Stelle trat der von Alfred Messel entworfene, zwischen 1910 und 1930 errichtete Monumentalbau eines neuen Pergamonmuseums. Neben spektakulären Werken wie der hocharchaischen sog. „Berliner Göttin“ oder der frühklassischen „Thronenden Göttin“ von Tarent bildeten die ausdrucksstarken hellenistischen Reliefs des Pergamonaltars den absoluten Höhepunkt der Antikensammlung der Reichshauptstadt.
Krieg, Raub, Rückgabe, Neugeburt
Um die Schätze der Berliner Antikensammlung während des Zweiten Weltkriegs vor Bombenschäden zu schützen, wurden sie zum Teil an sichere Orte ausgelagert, zum Teil auch eingemauert. Das
Zahlreiche der von den Sowjets restituierten Kunstwerke verschwanden allerdings für Jahrzehnte im Depot. Erst im Jahr 2008, fünfzig Jahre nach der „Rückkehr der Götter“ nach Deutschland, erlebten sie ihre längst fällige Auferstehung, die einer Neugeburt gleichkam. Aufwendig restauriert, wurde „Berlins verborgener Olymp“ zunächst einem begeisterten Publikum in mehreren Städten Brasiliens präsentiert, dann – 2009 – in einer Sonderschau des Pergamonmuseums auf der Berliner Museumsinsel und nun, noch bis zum 13. Juni 2011, im Mannheimer „Museum Weltkulturen“ der Reiss-Engelhorn-Museen, das sich seit Jahren mit herausragenden Archäologieausstellungen profiliert hat.
Sämtliche Fotos (© Rainer K. Wick) wurden 2009 in der Sonderschau „Die Rückkehr der Götter“ im Pergamonmuseum Berlin aufgenommen. Zur Ausstellung ist im Verlag Schnell & Steiner ein großformatiger, umfassender und reich bebilderter Katalog mit dem Titel „Die Rückkehr der Götter. Berlins verborgener Olymp“ erschienen; 424 S.; Preis der Museumsausgabe 19,90 Euro, ISBN 978-3-7954-2114-4. Weitere Informationen unter: www.rem-mannheim.de
sowie unter: www.schnell-und-steiner.de
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