Den Finger in die Wunde gelegt

Thilo Sarrazin – „Deutschland schafft sich ab“ Wie wir unser Land aufs Spiel setzen

von Frank Becker
Europa am Wendepunkt?

Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu versengen.
Georg Christop Lichtenberg

 
Thilo Sarrazin gehört, seit er das alarmierende Sachbuch „Deutschland schafft sich ab“ publiziert hat, derzeit zu den meist angefeindeten Menschen in Deutschland. Er wird beleidigt und verleumdet, in Fernsehsendungen öffentlich vorgeführt und in seiner Ehre beschnitten, von selbsternannten Gutmenschen und dubiosen Interessengruppen in politische, ideologische, strategische Ecken gedrückt, in die er gewiß nicht gehört, vom peinlich unwissenden Bundespräsidenten Wulf (siehe dazu der offene Brief von Ralph Giordano in den Musenblättern) und selbst von seiner Partei, der SPD beschämend ausgegrenzt. Sein Arbeitgeber, die Bundesbank hat sich unter dem Druck kurzsichtiger Friede-Freude-Eierkuchen-Politik von dem kompromißlosen Kritiker deutscher Mißstände „distanziert“. Unter anderen Vorzeichen nennt man so etwas „Mobbing“.
 
Brennendes öffentliches Interesse

Aber: Thilo Sarrazins Buch hat seit seinem Erscheinen im Sommer 2010 bereits die achte Auflage erlebt und ist in 1,1 Millionen Exemplaren gedruckt worden, nach wie vor in den Buchläden das gefragteste aktuelle Sachbuch, ein Bestseller, der sogar belletristische Werke auf die Plätze verweist. Ein Hinweis auf das brennende Interesse am Thema. Dennoch melden sich pausenlos „Kritiker“ zu Wort, die sich über angebliche Ausländerfeindlichkeit, eklatanten Rassismus, Polemik und ideologische Verfehlungen des Autors echauffieren. Die wenigsten davon – behaupte ich – haben je das Buch, über das sie so vehement herfallen, überhaupt gelesen. Ich habe mich eben wegen dieser emotionalen Attacken gegen den Autor der Mühe unterzogen (6. Auflage), denn es ist wegen der trockenen Sachlichkeit der Arbeit und der Fülle von Tabellen und Statistiken eine solche, habe jedoch keine der gebetsmühlenartig von „liberalen“ Politikerinnen (wie die unsäglichen Marieluise Beck, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Ulrike Seemann-Katz u.a.)  und „kritischen“ Journalisten indizierten „Stellen“ ausmachen können.
 
Katzengold-Glanz

Hingegen habe ich in Dutzenden von offenen und vertraulichen Gesprächen mit Künstlern, Politikern, Journalisten, Verwaltungsbeamten, Lehrern, Freiberuflern, Handwerkern und Studenten die unverhohlene Zustimmung einer bemerkenswerten Bevölkerungsmehrheit zu den gerade durch die Kritik zugänglich gewordenen Thesen Thilo Sarrazins registrieren können. Was Sarrazin in seinem Buch offen ausspricht, deckt sich mit den Befürchtungen einer deutschen Bevölkerungsmehrheit, die aus Sorge vor der Pression durch radikale politische oder ethnische Gruppen schon nicht mehr traut, sich öffentlich zu äußern. Wir leben längst in einem „besetzten“ Land, in dem Meinungsfreiheit nur noch den wenigen zugebilligt wird, die sich vom Katzengold-Glanz einer längst gescheiterten multikulturellen Gesellschaft blenden lassen. Man gibt sich Illusionen hin, ohne zu erkennen, daß mittlerweile Mechanismen greifen, die sich effektiv der Kontrolle des deutschen Staates entziehen und zur normativen Kraft des Faktischen wurden. Was Karl Martell 732 bei Poitiers und den Heeren Österreichs, Polens und Venedigs 1529 und 1683 vor Wien gelang, nämlich die Eroberung des Abendlandes durch die arabischen bzw. osmanischen Truppen zu vereiteln, gelingt einem schutzlosen Europa dank offener Grenzen nicht mehr: türkische und arabische Muslime und mit ihnen die illiberale islamische Lebensart, die sich plakativ u.a. durch die Unterdrückung der Frauen, Todesdrohungen gegen Islamkritiker und die Verachtung des demokratischen Systems der gastgebenden Länder zeigt, unterwandern zu Millionen Mitteleuropa. Die Büchse der Pandora ist geöffnet. Wer versucht, den Deckel wieder daraufzudrücken wird geschmäht.
 
Den Finger in die Wunde gelegt

Ich unterstelle Thilo Sarrazin hohe Bildung, Differenzierungsvermögen und eine echte Sorge um Deutschland und seinen demokratischen und kulturellen Bestand. Seinem Buch kann man bescheinigen, daß es den Finger in eine offene Wunde legt, die nicht mit artigem Wegsehen geschlossen werden kann. Wenn Sarrazin der Einwanderung integrationswilliger und –fähiger Ausländer das Wort redet, dem Zuzug intelligenter, arbeitsamer Menschen jedweder Kultur und Nation vorbehaltlos zustimmt und lediglich davor warnt, ein (noch) funktionierendes soziales und demokratisches Gemeinwesen zum Selbstbedienungsladen arbeits- und integrationsunwilliger, oft dabei auch demokratieunfähiger Sozialflüchtlinge verkommen zu lassen, ist das weitsichtig und verrät einen klaren Blick. Den verstellen sich seine Kritiker, oft wider besseres Wissen, durch Umarmungen derer, die schon dabei sind, unserem ohnehin kränkelnden Gemeinwesen die demokratische und soziale Basis zu entziehen. Denn zwei Faktoren sind unübersehbar und durch die von Thilos Sarrazin zitierten seriösen Quellen ausgiebig belegt: das aggressive, hegemoniale Vordringen des Islam in unsere westlich aufgeklärte, christlich liberal geprägte Demokratie steuert einen deutlichen Kurs gegen unsere Kultur, deren Akzeptanz in Sprache, Sitten und Gebräuchen oberster Grundsatz für jeden Einwanderer sein sollte – aber nicht ist, wie immer deutlicher hervortritt. Das energisch einzufordern ist die seit Jahren vernachlässigte Pflicht des Staates zu seinem Selbstschutz. Der zweite Punkt ist die unbestreitbare Tatsache, daß eine politisch-wirtschaftlich-soziale Solidargemeinschaft wie der deutsche Staat nur existieren kann, wenn von allen Beteiligten eingezahlt wird. Wird aber eine solche bereits unter der ungewollten Arbeitslosigkeit vieler ehrlicher und dem Sozialschmarotzertum ebenso vieler unehrlicher eigener Bürger – da nehme ich Banken-Vorstände nicht aus - stöhnende Gemeinschaft zusätzlich von einem Millionen-Heer im eigenen Heimatland perspektivloser Sozialempfänger überrannt und ihre Grundsicherungsprinzipien ausgebeutet, ist ein wirtschaftliches Ende bald abzusehen. Sarrazin belegt, daß vor allem in Großstädten der Bevölkerungsanteil von türkisch- und arabischstämmigen Zuwanderern durch Zuzug, Familiennachzug und Geburtenrate im Mißverhältnis zur deutschen Bevölkerung steigt und daß Bildungsferne, Arbeitslosigkeit und Kriminalität in diesem Personenkreis wiederum im Verhältnis zur deutschen Bevölkerung überproportional hoch sind. Das ist nicht wegzudiskutieren.
 
Parallel-Gesellschaften

Hinzu tritt erschwerend, daß mittlerweile eine überwiegende Mehrzahl solcher Einwanderer, die eben aus kulturell und religiös völlig anders geprägten, zudem oft rückständigen islamischen Ländern kommen, sich in Deutschland in selbst gewählte - das Wort „eroberte“ ist nicht unangebracht - Ghettos zurückzieht, in denen sie bereits eine in Sprache, Kultur und Religion strikt vom gastgebenden Land getrennte Parallelgesellschaft mit eigener Gesetzlichkeit aufgebaut haben. Man betreibt bewußt eine Selbstausgrenzung, die im Konfliktfall dem Gastgeber vorgeworfen werden kann. Thilo Sarrazin zitiert u.a. die türkischstämmige Publizistin Necla Kelek: »Ich habe allerdings Zweifel, ob die Mehrheit der in Deutschland lebenden Türken die Integration wirklich will – ihr vorherrschendes Verhalten spricht eine gegenteilige Sprache. Die meisten lesen keine deutsche Zeitung, schon gar keine deutschen Bücher. Die meisten sehen ausschließlich türkisches Fernsehen, kaufen in türkischen Läden und haben keine privaten Kontakte zu Deutschen. Das Land, in dem sie leben, ist ihnen fremd, und es bleibt ihnen fremd.« Daß eine überwiegende Mehrzahl der einwandernden Muslime aus bildungsfernen Schichten stammt, die dem Gastgeberland keinen positiven Impuls geben, ist eine belegbare Tatsache, wird aber gerne dem Kritiker der Zustände als Diskriminierung vorgeworfen. Müssen wir in diesem Zusammenhang auch noch einmal ausführlich auf das leidige Kopftuch/Schleier/Burka-Thema oder die unerträgliche Rechtfertigung der vom Machismo muslimischer Männer gesteuerten Zwangsehen und die sogenannten "Ehrenmorde" eingehen? Ich glaube nicht, denn plakativer kann man die Abgrenzung von der Kultur Mitteleuropas nicht darstellen – und die Muslime tun es selbst. Wie eine aufgeklärte Frau in Deutschland oder einem beliebigen anderen europäischen Land die dadurch radikal vorgeführte Rechtlosigkeit ihrer Geschlechtsgenossinnen ohne Protest hinnehmen kann ist mir ein Rätsel. Im Zusammenhang sei dringend auf Alice Schwarzers neues Buch „Die große Verschleierung“ hingewiesen.
 
Sachlich und warnend

Über all die oben angeschnittenen Probleme, belegt durch unzweifelhafte Statistiken deutscher Ministerien, Behörden und Ämter und erschlossen durch einen ausführlichen Quellen-Apparat referiert Thilo Sarrazin sachlich, wenn auch deutlich warnend in seinem Buch. Die Prognosen, die er stellt, sind wenn nicht gar erschreckend, so doch sehr bedenklich stimmend. Thilo Sarazins Buch und seine Fingerzeige richten sich nicht gegen den Islam, sondern gegen dessen nicht hinzunehmende Auswüchse, es wendet sich nicht gegen Ausländer, sondern gegen die hemmungslose Ausbeutung unseres Sozialsystems durch einige Hunderttausend unter ihnen. Daß er mit „Deutschland schafft sich ab“ neben all den häßlichen Anfeindungen, die ihm zuteil wurden, eine politische Lawine losgetreten und die Meinungsbildungs-Bereitschaft der Deutschen geweckt hat, wird durch die in diesen Tagen zu registrierenden hektischen Bemühungen der Politik (beinahe) aller Couleur um eine greifende gesetzliche Regelung von Zuzug und Integration deutlich. Noch ist das alles politisch opportunes Gerede wie stets und hat noch keine Auswirkungen. Daß aber grundlegende Änderungen notwendig sind, um unser anscheinend hilfloses Land, unsere Kultur und unseren Wohlfahrtsstaat zu schützen, sollte auch dem Blauäugigsten längst klar geworden sein.  
Ein notwendiges, ein verdienstvolles Buch.

Thilo Sarrazin – „Deutschland schafft sich ab“
Wie wir unser Land aufs Spiel setzen
© 2010 DVA / Random House
Sachbuch, 464 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 13,5 x 21,5 cm
ISBN: 978-3-421-04430-3
€ 22,99 [D] | € 23,70 [A] | CHF 38,90
Weitere Informationen unter: www.randomhouse.de