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Die Kolumne am Mittwoch

von Friederike Zelesko
… bis Z
 
Die Kolumne am Mittwoch
von  Friederike Zelesko

Im Nebel ruhet noch die Welt,
noch träumen Wald und Wiesen:
bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
den blauen Himmel unverstellt,
herbstkräftig die gedämpfte Welt
in warmem Golde fließen.
(Eduard Mörike)
 
 
            Es ist einer jener Herbstmorgen, die dazu bestimmt sind, alles was sich um mich bewegt zu verzaubern. Alle Dinge, die meine Augen sehen, Laute, die mein Ohr vernimmt, Gerüche, die in der Luft schweben, sind formbar. Ich weiß den Wind zu malen und die Hügel, auf denen die Wälder als  goldene Wolken sitzen. Darüber spanne ich einen durchsichtigen Himmel. Meine Palette hat unzählige Grünfarben und es fällt mir nicht schwer die Wege, Wiesen und Felder ineinander fließen zu lassen, die Schatten gerecht zu verteilen. Die Wege werde ich sparsam malen, die Spuren der Räder mit Brauntönen nur andeuten, zu viele Windungen vermeiden, sie möglichst gerade setzen, offen für die Weiten ringsum.
            Elektrisch geladenen Weidezäune sind auf meinem Bild nicht vorhanden. Wie kann ich über die Kreatur bestimmen, die an der beweglichen Ordnung teilhat? Ich werde keine Gewalt dulden, die meine Wiese zerschneidet. Alles muß so sein wie es einmal war, lange bevor die breiten Straßen gelegt wurden, auf denen wir uns einander nähern und doch aneinander vorbeigehen. Ich kann keine eilige Bewegung malen, die nichts wahrnimmt und nur darauf bedacht ist, schnell und ohne Anstrengung zum Ziel zu gelangen. In eine Stadt vielleicht, die sie ohne Echo verschlingt.
            Mein Pinsel wird ein Haus in das Bild tupfen. Leuchtend weiß. Mit einem roten Dach. In einem Garten voller Blumen. Ich setze es in die Falte eines Hügels. Dort, wo es warm ist, und der Wind schläft. Dieses Bild bekommt keinen Rahmen. Keiner ist kostbar genug. Abgesehen davon, wie kann es mir je einfallen meiner Empfindung eine Grenze zu setzen? Wie kann es mir je einfallen zu glauben, daß ich, die ich doch keine Malerin bin, solch ein Bild zustande bringe?
            Es ist sonderbar genug, diese Verzauberung eines Herbstmorgens der Landschaft anlasten zu wollen, den Höhen und Tiefen darin, die sich mühelos meiner Bewegung anpassen oder vielleicht der Ruhe, die in mir strömt, so wie sie nur die Natur kennt, obwohl alles in mir lebt wie nie zuvor.

 

© Friederike Zelesko - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2010