Neues aus dem Arco Verlag

Oktober 2010

Red.
Neues aus dem Arco Verlag - Oktober 2010

Liebe Leserinnen und Leser,
während die Kollegen in ihren Rundbriefen zur Frankfurter Buchmesse gerade wieder herauf- oder haarscharf vorbeiziehende Grippeepidemien oder diesmal sogar »Giftatem« ankündigen, beschränken wir uns darauf, vor unseren neuesten Büchern zu warnen – nicht ohne vorher innezuhalten:
Als André Breton 1966 gestorben war, widmete ihm unser Autor Ludvík Kundera ein berührendes Gedicht, in dem er sich wunderte, wie der Lauf der Welt seinen gewohnten Gang ging: 8.36 Bahnhof Frankfurt / niemand streut / Seesterne / ... niemand sprengt / mit rostigen Tannennadeln / 8.50 Abfahrtspfiff / leerer Bahnsteig / nur ein einziges einsames Mädchen / winkt einem alten Mann / der abfährt / niemand klopft / mit Schlegeln Sonnenblumen
Am 17. August hat sich Ludvík Kundera auf seine letzte Reise gemacht. Jeder auf seine Weise nahmen wir Abschied von ihm. Abends war Kollege und Autor Peter Becher aus München hier in Wien zu Gast, und so wurde ich zum Überbringer der traurigen Nachricht. Wir gedachten Ludvík Kunderas so, wie es ihm wahrscheinlich gefallen hätte: Auf Tee folgte Wein aus Mähren – Muškát moravský –, und bis halb vier Uhr morgens hielten wir unsere Totenwache: Kunderas »RomanAnfang« aus seinem el do Ra Da(da) laut lesend, im Wechsel, im Duett, einander ins Wort fallend, mitunter sogar lachend ... So trösteten wir uns und boten dem Dichter posthum ein letztes Ständchen.
Was bleibt, sind Erinnerungen – und Bücher. Wir sind dankbar für die drei Veröffentlichungen, die uns Kundera und zuletzt seine Freunde und Weggefährten geschenkt haben. Mit dem Aufblättern der Hommage Zur bewegten Geschichte des 22. März, die sein Übersetzer Eduard Schreiber und ich Ludvík Kundera im Frühjahr in Kunštát zu seinem 90. Geburtstag überreichen konnten, kommen viele Seiten dieses wunderbaren Menschen zur Sprache, persönliche Würdigungen in Wort und Bild von denen, die sich ihm nahe fühlten.
Die südungarische Metropole Pécs ist »Europäische Kulturhauptstadt 2010« – eine von dreien! –, schmückt sich aber nicht sehr damit – vielleicht, weil sie auch so weiß, was sie zu bieten hat. Seit dieser Woche liegen auf 388 Seiten beste Argumente vor, der Schönen mit ihren magyarisch-türkisch-schwäbischen Zügen doch noch die Aufwartung zu machen, ob Hauptstadt hin oder her, jetzt oder irgendwann: Literarische Liebeserklärungen, Verklärungen, Erklärungen, Verwünschungen und dergleichen (von so vielen klangvollen Autorinnen und Autoren – wer zählt die Völker, nennt die Namen – daß ich sie hier gar nicht erst alle aufreihe) finden sich in Pécs. Ein Reise- und Lesebuch, das wir auf mehreren Lesungen vorstellen – angefangen an diesem Samstag, 9. Oktober 2010, 11 Uhr, auf der Frankfurter Buchmesse, Stand Ungarn, Halle 5.0, C902; am 13. 10. In Leipzig; am 20. November bei der Lesefestwoche im Café Phil in Wien. Herzlich willkommen, mehr unter www.arco-verlag.com.
Es sprach manches dafür, daß Jan Drees als Mittelstreckenläufer bei den Olympischen Spielen in Athen gelandet wäre. Stattdessen schrieb er vor zehn Jahren nebenbei seinen ersten Roman »staring at the sun« – zu erfolgreich, um es gleich wieder sein zu lassen. Jetzt schreibt er für die FAZ, den WDR, die Literarische Welt oder den Rolling Stone über Bücher oder gleich selber Bücher wie seinen zweiten Roman Letzte Tage, jetzt (2006); sein Doku-Roman KassettendeckIrre. Drees über Goetz mittels Luhmann, ein gewagter Cocktail oder ganz einfach: Rainald Goetz – Irre als System. erscheint im Frühjahr bei den Kollegen von Eichborn. Im Arco Verlag kommt er auf einen Roman zurück, der für ihn ein Ereignis war:
Auf unseren Schreibtischen wachsen & gedeihen kommende Bücher: Die Lese beginnt im hoffentlich goldenen Spätherbst, wenn die Bände von Jiří Langer, Erika Mann und Hans Werner Kolben von hier aus auf die Reise gehen – vielleicht sogar zu Ihnen...
Und weil Sie ja nicht die Katze im Sack kaufen sollen, gibt es immer wieder Gelegenheiten, Arco-Bücher auch vorab kennenzulernen: bei zahlreichen Lesungen in diesem Herbst. Autoren, Herausgeber, Übersetzer und Verleger reisen durch die literarische Welt und lesen Ihnen vor: demnächst aus dem Pécs-Buch – siehe oben – oder armenische Gedichte von Jeghische Tscharenz (Literaturhaus Wuppertal, 7. November; Domforum, Köln, 26. November). Schauen Sie rein, wenn Sie Zeit & Lust haben: in Frankfurt auf der Buchmesse oder wenn wir – hoffentlich – bei Ihnen in der Nähe sind. Und sonst haben Sie ja immerhin: frische Arco-Post.

Herzlich vom Wiener Donaukanal

Ihr Arco-Verleger
Christoph Haacker